Religiöse Landschaft in Bewegung

Warum Freikirchen zulegen

Die Freikirchen der Schweiz sind so vielfältig, dass der Überblick schwer fällt. Eine 2011 veröffentlichte Nationalfonds-Studie hat deutlich gemacht, wie viel sie zum religiösen Leben im Land beitragen.
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Jörg Stolz

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprojektes NFP 58 wurden erstmals alle örtlichen religiösen Gemeinschaften der Schweiz erfasst. Die Studie trägt zu einer angemessenen Wahrnehmung der Dynamik der Freikirchen bei. Die katholische Nachrichtenagentur Kipa hat im Blick auf die Woche der Religionen Anfang November einige Resultate in Erinnerung gerufen.

Doppelt so viele Freikirchler im Gottesdienst

Von 5‘734 religiösen Gemeinschaften ist fast jede vierte (1‘423) eine evangelische Freikirche. Etwa 690‘000 Personen nehmen an einem normalen Wochenende an einem Gottesdienst oder religiösen Ritual teil. 29 Prozent suchen Freikirchen auf, 14 Prozent reformierte Kirchen. Dies obwohl die Reformierten etwa zwanzig Mal mehr Mitglieder als die Freikirchen zählen.

Der Grund dafür ist das starke Engagement der Freikirchler, die ihren Glauben mehrheitlich aktiv praktizieren und auch offen bekunden. Auf ihre registrierte Mitgliederzahl bezogen, zählen reformierte Gemeinden an einem normalen Wochenend-Gottesdienst etwa 3 Prozent Besucher, Freikirchen jedoch 111 Prozent.

Kinder kriegen in Freikirchen mehr mit

Der Religionssoziologe Jörg Stolz von der Uni Lausanne, Mitautor der Nationalfonds-Studie, geht laut Kipa davon aus, dass sich das Zahlenverhältnis Reformierte-Freikirchen in den nächsten Jahren weiter zu Gunsten der freikirchlichen Gemeinschaften verändern wird. Als Grund nennt Stolz die Tatsache, dass die Kirchgemeinden die Kinder ihrer Mitglieder «kaum mehr religiös sozialisieren». Auch bestehe eine Konkurrenz zwischen säkularen und religiösen «Angeboten».

Dies alles führe seit den 1960er Jahren zu geringerer Religiosität und schwächerem Interesse an den Angeboten der reformierten Kirche, zu mehr Kirchenaustritten und daher auch zu geringeren Finanzen. Demgegenüber halten die Freikirchen an einer starken religiösen Sozialisierung ihrer Kinder fest und «schützen die eigenen Angebote vor säkularer Konkurrenz, indem sie sich tendenziell abschotten», sagt Stolz.

Worauf es ankommt

Ob religiöse Gemeinschaften wachsen oder schrumpfen, hängt gemäss der Studie nicht von staatlicher Regulierung, Etabliertheit oder «Striktheit» ab. Zentral sind vielmehr «Rekrutierungsneigung» und demographische Faktoren: «Eine Gemeinschaft, welche aktiv neue Mitglieder sucht, von Immigration profitiert und Wert auf die Sozialisierung der Kinder legt, hat die besten Wachstumschancen.»

Datum: 30.10.2012
Quelle: Livenet / Kipa

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