Kirchgemeinde Ittigen

Die Einelternfamilien brauchen uns

Die Zahl der Alleinerziehenden hat stark zugenommen. Die kirchlichen Angebote tragen dem noch wenig Rechnung. In der Reformierten Kirchgemeinde Ittigen BE wurde ein Anfang gemacht.
Einelternfamilien im lockeren Rahmen von Familienferien ermutigen

1970 gab es in der Schweiz 36’000 Einelternfamilien, im Jahr 2000 waren es 90’000 und 2012 sind es 184’000. Die Armutsquote der Einelternfamilien beträgt 27 Prozent, somit tragen die Alleinerziehenden das höchste Armutsrisiko der Schweiz.

Im Alltag allein

Wenn ich sehe, wie meine Frau und ich als Eltern zu zweit in unserer Familie durch unseren Alltag und unsere Kinder stark gefordert sind, dann kann ich mir nicht gut vorstellen, wie das Alleinerziehende schaffen. Oft alleine zu sein in all den Fragen, Nöten, Stresspunkten, Entscheidungen, das scheint mir die grösste Not der Alleinerziehenden zu sein.

Dazu kommen die Armutsgefährdung und die finanziellen Einschränkungen, die zu einer Isolierung führen können, ausserdem die Abhängigkeit von einem mehr oder weniger verständnisvollen Arbeitgeber, dem Sozialamt und dem Alimente zahlenden Elternteil. Die Position von Alleinerziehenden (in den meisten Fällen ist es die Mutter) in Gesellschaft und im Freundeskreis ist nicht einfach. Beispielsweise steht man bei öffentlichen Anlässen ohne ein Gegenüber da und im Freundeskreis tritt man oft als Bittstellerin auf.

Angebot für die Ferien

Die oben genannten Herausforderungen kumulieren sich häufig, wenn es um die Ferienplanung geht. Als Reformierte Kirchgemeinde Ittigen sind wir deshalb dort eingestiegen. Seit drei Jahren bieten wir für Einelternfamilien subventionierte Ferienlager in der Schweiz und Spanien an. Die Ferien waren bis jetzt immer ausgebucht. Die Lager sind finanziell erschwinglich, an einem tollen Ort, die Reise wird organisiert. Am Ferienort bieten wir eine Mischung aus Gruppenzeiten, Familienzeit und Zeiten der Mütter resp. Väter für sich alleine. Die begeisterten Rückmeldungen lassen darauf schliessen, dass diese Ferien für das Lebensgefühl ein ganz wichtiger Aspekt sind.

Durch diese Angebote ergaben sich viele Kontakte zu einzelnen Familien. Unsere Kirchgemeinde wurde noch mehr sensibilisiert für die Anliegen der Einelternfamilien, und weitere Begegnungen entstanden.

Konkret helfen

Jesus fordert uns auf, den Menschen mit unseren Gaben zu dienen. Bei der Begegnung mit Alleinerziehenden kann die Unterstützung einerseits ganz praktisch werden: Kinder hüten, bei handwerklichen Arbeiten unterstützen, einen freien Ferienplatz anbieten, das Auto ausleihen, auf das Sozialamt oder ins Spital begleiten, beim Papierkram helfen etc. Andererseits sollen wir auch tiefer gehen, Hilfe geben in der Aufarbeitung einer zerbrochenen Beziehung. Zudem sind besonders Männer gefragt, die männliche Aspekte in den Alltag der Kinder einbringen, der ja meistens von der Mutter geprägt ist.

Sich einbringen können

Mein Traum ist, dass Gemeinden das Thema vermehrt aufnehmen und überlegen, wo sie Einelternfamilien ganzheitlich unterstützen könnten. Es braucht die einfache, diakonische Unterstützung, doch wir haben den Eltern und den Kindern mehr anzubieten: Gnade, Hoffnung auf Vergebung, Versöhnung, Heilung.

Es geht auch um Würde. Es ist weder befriedigend noch gesund, immer die Bittstellerin, der zu Unterstützende, die Empfangende zu sein. Alleinerziehende möchten, wie jede andere Person auch, Helfende, Ermutigende, Gebende, Starke sein. Die Gemeinde ist eine gute Plattform, um sich den eigenen Möglichkeiten entsprechend einzubringen, sich zu engagieren. Zeigen wir, dass wir gerade auch die Alleinerziehenden und ihre Gaben brauchen.

Tobias Weyrich ist verheiratet und hat drei Kinder. Er arbeitet als Sozialdiakonischer Mitarbeiter in der Reformierten Kirche Ittigen.

Datum: 16.11.2012
Autor: Tobias Weyrich
Quelle: Kirche und Welt

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