Nachdem die Berichterstatterin des Ausschusses, Ulla Sandbaek, im irischen Radio diese Tatsache bestätigt hatte, richteten 50 Europa-Abgeordnete einen Brief an EU-Entwicklungshilfe-Kommissar Nielson, um ihn über die politischen Schwerpunkte seiner Entwicklungshilfepolitik zu befragen. Sie machten darauf aufmerksam, dass die Europäische Union keine Kompetenzen in Fragen der Abtreibungspolitik hat, auch nicht im Rahmen der Entwicklungshilfe. Sie verwiesen auf eine Stellungnahme des Ministerrates der EU vom 15. März 2001, wo dieser festhielt: „Was die spezielle Frage der Abtreibung angeht, so möchte der Rat daran erinnern, dass die diesbezügliche nationale Gesetzgebung nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt. Die Frage der Übereinstimmung mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand stellt sich deshalb nicht.“ Mit einem Festhalten an der eingeschlagenen Entwicklungshilfepolitik steht die EU in Gefahr, Artikel 40.3.3 der irischen Verfassung zu verletzen, welche die staatliche Finanzierung von Abtreibung ausdrücklich verbietet. Um dies zu verhindern, unterzeichnete die irische Regierung ein Zusatzprotokoll zum EU-Vertrag von Maastricht, welches diesen Verfassungsartikel ausdrücklich schützt. Demzufolge kann sich Irland einer gemeinschaftlichen Politik, die Abtreibungsmassnahmen fördert, verweigern. Gleiches erwarten die Beitrittskandidaten Malta, Polen und die Slowakei, die dem Schutz des ungeborenen Lebens Verfassungsrang einräumen. Die gegenwärtige Entwicklungshilfepolitik der Europäischen Union orientiert sich an den „Rechten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit“. Diese Begriffe wurden jedoch bislang nicht durch internationale Rechtsinstrumente definiert. Die Neuorientierung begründet die EU unter anderem mit den tödlichen Auswirkungen von unsachgemäss vorgenommener Abtreibung; sie wolle die Legalisierung von gesundheitsfördernder Abtreibungspolitik fördern. Eine Studie des finnischen Statistikamtes hat jedoch festgehalten, dass die durchschnittliche Sterblichkeitsrate bei Frauen selbst nach einer medizinisch korrekt durchgeführten Abtreibung drei mal höher liegt als bei Frauen, die ihre Schwangerschaft zu Ende führten. Finnland hatte bereits vor 30 Jahren Abtreibung legalisiert und verfügt daher über breit angelegtes Datenmaterial. Die 1997 veröffentlichte Studie diente einer weiteren Studie des British Medical Journal im selben Jahre als Grundlage. Diese kam zum Schluss, dass die Selbstmordquote bei Frauen nach einer Abtreibung sechs Mal höher ist als der Durchschnitt.
Laut Teuschers Angaben berät zurzeit der Entwicklungshilfe-Ausschuss des Europäischen Parlaments über eine „Richtlinie zur Unterstützung von Strategien und Aktionen im Bereich der produktiven und sexuellen Gesundheit und der damit verbundenen Rechte in den Entwicklungsländern“. Im Falle einer Annahme dieser Verordnung, prognostiziert der Doktorand, würde die Abtreibung als gesundheitspolitisches Element in die europäische Entwicklungshilfe aufgenommen und durch die öffentlichen Kassen getragen werden.
Nicht in der Kompetenz der EU
Irischer Vorbehalt
Welche ‚sexuelle Gesundheit‘?
Datum: 05.02.2003
Autor: Fritz Imhof
Quelle: SSF