Hilfe für Kiffer

Wenn einem das Gras über den Kopf wächst

Im Seminar an der Uni glaubte Christian, dass die anderen in seinen Kopf blicken könnten und schlecht über ihn dächten. Die Wahnvorstellungen liessen ihn nicht mehr los.
Kiffen
Hanfpflanze.

Seinen Tag begann er mit einem Kaffee und einem Joint, dem drei, vier oder noch mehr folgten. «Ich bin trotzdem zur Uni gegangen, aber Kiffen war das zentrale Ding, ich habe meinen Tagesablauf danach ausgerichtet.»

Trotz eines gut bezahlten Nebenjobs hatte er Schulden, das exzessive Kiffen sprengte sein Studentenbudget. «Ich habe das nicht mehr gepackt», sagt der heute 25-Jährige. Er ging zu einem Psychotherapeuten. Der schickte ihn zum Berliner Therapieladen, wo er Hilfe fand.

Neuer Therapieansatz

Christian nahm an dem Therapie-Projekt Candis II teil. Candis steht für Cannabis Disorders. Der neuartige Therapieansatz des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden wurde mit Förderung des Bundesgesundheitsministeriums bundesweit in der ambulanten Suchthilfe erprobt. Die vorliegenden Ergebnisse sind vielversprechend: Von den Teilnehmern, die die Therapie durchgehalten haben, haben mehr als 60 Prozent mit dem Kiffen aufgehört. Weitere 20 Prozent konsumieren deutlich weniger als zuvor. Sechs Monate nach Therapieende waren noch knapp 40 Prozent abstinent.

Kein Randthema mehr

Noch in den 80er und 90er Jahren war Cannabis eher ein Randthema in der Suchthilfe. Der Konsum wurde, vor allem im Vergleich zum Konsum von Morphium und Heroin, als harmlos eingestuft. Abhängige wurden oft nicht ernst genommen. Es gab nur wenige spezifische Therapieangebote, Patienten wurden zusammen mit Alkoholikern oder Heroinabhängigen behandelt.

Mittlerweile ist das Bewusstsein für die schädlichen Auswirkungen des langfristigen und weit verbreiteten Konsums gestiegen. Der Bund förderte die Entwicklung cannabisspezifischer Beratungs- und Behandlungskonzepte. Kiffen ist, weil es krank machen kann, ein Thema des Gesundheitsschutzes geworden.

Stagnation auf hohem Niveau

Der Konsum von Haschisch, dem gepressten Harz der Pflanze, und Marihuana, den getrockneten Blüten, hat in den letzten 15 Jahren in allen europäischen Ländern deutlich zugenommen. Aktuell stagnieren die Zahlen, es ist sogar ein leichter Rückgang des Konsums zu verzeichnen. Cannabis ist jedoch immer noch das mit Abstand meistverbreitete illegale Rauschmittel.

Abhängiger Konsum

Kiffen ist in allen sozialen Milieus verbreitet. Die meisten Konsumenten kiffen nur gelegentlich. Manche aber werden abhängig, das Gras wird zur Alltagsdroge. «Rund zwei Millionen vor allem junger Menschen konsumieren in Deutschland regelmässg Cannabis, etwa 600.000 von ihnen weisen einen missbräuchlichen oder abhängigen Konsum auf», meldet das Gesundheitsministerium. Während sich 2001 rund 8.400 junge Menschen wegen eines Cannabisproblems an Beratungsstellen wandten, waren es im Jahr 2006 knapp 21.500.

Folge oder Ursache?

Der Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und psychischen Erkrankungen ist vielfach erforscht, aber bis heute nicht abschliessend geklärt. Cannabis kann ein Auslöser für psychische Krankheiten sein, wenn Menschen dafür anfällig sind. Wenn Gefühle übermächtig werden, Betroffene halluzinieren oder von Ängsten gelähmt sind, nutzen Kiffer die Droge oft zur Selbstmedikation.

Wie bei Christian ist dann nicht mehr zu entscheiden, ob der Cannabiskonsum Folge oder Ursache der psychischen Probleme ist. Nachgewiesen ist, dass Kiffen vergesslich macht und zu Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen führt.

Individuell beurteilen

«Letztlich gibt es keine einfache Antwort auf die Frage, wie gefährlich Cannabis ist», sagt Andreas Gantner vom Therapieladen Berlin. Entscheidend sei die persönliche Situation. Wann und wie hat das Kiffen angefangen? Welche Funktionen hat es? Welche Auswirkungen?

Christian hat eine zweite Suchttherapie an das Candis-Programm angeschlossen. «Jetzt bin ich stabil abstinent. Noch letztes Jahr habe ich mich als Kiffer definiert, das ist jetzt anders», sagt er.

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Datum: 28.10.2010
Quelle: Livenet / epd

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