Seelsorger an Paralympics

«Der Gold-Medaillengewinner redete nicht über sich!»

Sportler-Seelsorger Adrian Hofmann kümmerte sich an den Paralympics um Betreuer und Sportler. Wir unterhielten uns mit dem «Athletes-in-Action»-Mitarbeiter über sein Wirken.
Adrian Hofmann

Jesus.ch: Adrian Hofmann, was haben Sie an den Paralympics erlebt?
Adrian Hofmann: Grosse Dimensionen, die Gebäude sind gross, die Wege sind weit, die Zeiten sind lang, es hatte viele Menschen, der Strassen- und Fluglärm hörte 24 Stunden nicht auf, und es gab eine Überdosis an sinnlichen Eindrücken.

Ich habe aber auch eine tadellose Organisation, grosse Hilfsbereitschaft, gutes Essen, Grosszügigkeit und viel Respekt erlebt. Zudem erlebte ich eine Schweizer Delegation, die in allen Bereichen eine eindrückliche Leistung zeigte. Der Kontakt mit diesen Menschen war für mich eine grosse Freude.

Welche Erlebnisse bleiben für Sie unvergessen?
Ganz spontan fallen mir folgende aussergewöhnlichen Erlebnisse ein:

Da war eine muslimische Frau, die mir überglücklich ihre persönliche Liebesgeschichte erzählte.

Ein jüdischer Rabbi nannte mich einen weisen Mann.

Ein kenianischer Läufer drückte mir seine Goldmedaille in die Hand. «Da, nimm sie in die Hand. Jetzt ist der Weltrekord wieder zu uns nach Hause gekommen, und dafür will ich Gott heute danken.» Von sich selber sagte er kein Wort.

«Kommen alle Leute in den Himmel?» fragte mich eine ungarische Frau beim Mittagessen.

Ich antwortete: «Wenn ich die Endzeitreden in den Evangelien lese, dann habe ich immer das Gefühl, dass es die Sache von Gott und den Engeln ist, das zu entscheiden. Unsere Sache ist es eher, auf Gottes Gnade zu vertrauen und so gut wie möglich zu lieben.»

Wie wird die Chaplain-Arbeit von den Athleten geschätzt?
Ich habe sehr viel Vertrauen und Wertschätzung, vor allem durch die Schweizer Delegation, erhalten. Immer wieder wurde ich kontaktiert, immer wieder das seelsorgerliche Kurzgespräch in Anspruch genommen. Es war keine Ferienreise, sondern gesegnete, aber emotional anstrengende Arbeit. Ganz besonders geschätzt habe ich die Teamarbeit. Wenn zum Beispiel ein Athlet einen Gesprächsspaziergang mit mir unternehmen wollte, haben wir immer noch den Trainer kontaktiert, um abzumachen, wann und wie lange das ideale Zeitfenster wäre, ohne dass die Wettkampfvorbereitung darunter leiden würde. Zudem habe ich von Trainern und Athleten gesagt bekommen, dass sie die Art und Weise meiner Arbeit sehr schätzen.

Sie waren für «Athletes in Action» vor Ort, die Organisation ist teilweise auch für die Begleiter da. Hatten die Helfer in London ebenfalls ein offenes Ohr nötig?

In London gab es einheimische Seelsorger und ein internationales Team. Die Betreuung der Begleiter war in London die Sache der Einheimischen. Sie haben es gut und gerne gemacht.

Eines ihrer Markenzeichen sind kurze Gebete. Haben Sie solche in London ebenfalls eingesetzt und falls ja, können Sie die eine oder andere Situation schildern?
Ja sicher, und zwar auf ganz natürliche Art und Weise. Ich bete mit Menschen, wenn sie mich darum bitten. In London war es vor allem die Stille vor Gott und das Vaterunser-Gebet. Es ist keine Person auf mich zugekommen, die irgendwie ein egozentrisches Gebetsanliegen, wie zum Beispiel den Sieg, an mich herangetragen hat.

Mehr noch als das, war aber das Glaubensgespräch gefragt: «Ich wollte da mal wissen...», «Ich habe mal eine Frage...», «Wenn wir schon dabei sind: wie denkst du über diese oder jene Sache...». In diesen austauschenden Gesprächen über Lebenserfahrung konnte ich eher auf das Gebet aufmerksam machen.

Sie waren für andere da – wer kümmerte sich um Sie?
Um mich haben sich viele Leute gekümmert. Ich bin mit allem Lebensnotwendigen versorgt worden und noch darüber hinaus. Aber so, wie in der Schweiz, war ich auch in London für einen gesunden Lebensstil selber verantwortlich. Für mich hiess das, neben den 10-stündigen Arbeitstagen und dem 24-stündigen Pikettdienst, vor allem viel schlafen, an ruhigen Orten spazieren und in meinem Zimmer die Bibel studieren und Gott die Gelegenheit geben, dass er sich um mich kümmern kann. Das ganz zentrale Wort, dass ich aus London für mich zurücknehme, heisst: «Genügsamkeit.» Was ich erhalte, daran will ich mir genügen lassen.

Was packen Sie als Nächstes an?
Die Planung und das Budget 2013 stehen an, meine Besuchsmandate in regionalen Sportorganisationen sind erweitert worden, ich möchte neue Kurzgeschichten schreiben, und mit Erzähl-Anlässen bin ich ausgebucht bis Ende Jahr.

Anfang Dezember ist voraussichtlich der nächste Termin für die Wettkampfseelsorge an der Unihockey-Weltmeisterschaft in der Schweiz.   

Webseite:
Athletes in Action

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Datum: 20.09.2012
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch

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