Dörfer im Lauterbrunnental

Ein Segen für Touristen aus aller Welt

Lauterbrunnental
Die reformierte Kirchgemeinde begegnet dem Touristenansturm mit einem Herzensprojekt: Sie gibt den Touristen liebevoll gestaltete Segenskärtchen mit auf die Reise und bereichert das weitere Leben der Gäste damit.

Die Kirche Lauterbrunnen ist eine malerische Kirche im idyllischen Dorf Lauterbrunnen in der Schweiz. Schon 1488 wurde die gotische Kirche erbaut. 1832 wurde das inzwischen zu klein gewordene Kirchlein in Lauterbrunnen durch eine neue Kirche ersetzt. Anfangs der 1930er-Jahre wurde die Kirche renoviert und erhielt ihr heutiges Aussehen. Lauterbrunnen, was «viele Brunnen» bedeutet, beherbergt 72 Wasserfälle, darunter den berühmten Staubbachfall, der Goethe zu seinem Gedicht inspirierte. Das Dorf liegt eingebettet in einem der grössten Naturschutzgebiete der Schweiz und bietet farbenfrohe Alpenwiesen und malerische Wanderwege. Die Kirche dient als Orientierungspunkt für Besucher, die das Dorf erkunden, das eine Autostunde von Interlaken entfernt liegt. Das Pfarramt ist für sechs Dörfer im Einzugsgebiet der Einwohnergemeinde zuständig. Sie haben mit einem besonderen Interesse zu kämpfen: Sie spüren den Druck des übermässigen TourismusAls Antwort darauf hat Pfarrerin Eva Leuenberger mit Freiwilligen das Projekt «Segen to go» gestartet: Segenskärtchen zum Mitnehmen für Reisende. Damit wird ihnen ein kleines Zeichen christlicher Zuwendung mit auf den Weg gegeben. Die Kärtchen sind sehr gefragt – und berühren nicht nur Touristinnen und Touristen, sondern auch die Menschen, die sie mit Herzblut herstellen. Ein Projekt, das verbindet – mitten im Touristenstrom, berichtet «Radio Life Channel».

Verhalten aus Unwissenheit

«Heute ist ein eher ruhiger Tag», sagt Pfarrerin Eva Leuenberger. Ruhig? Wie es an anderen Tagen im Oberländer Bergdorf aussieht, erzählt sie in ihrem Büro im Kirchgemeindehaus der Zeitung «reformiert». Manchmal gebe es kein Durchkommen, nicht auf dem Velo und schon gar nicht im Auto. Darum ist sie – wenn möglich – zu Fuss unterwegs. Für Beerdigungen haben Eva Leuenberger und ihre zwei Pfarrkollegen von der Gemeinde einen Sicherheitsdienst verlangt und erhalten. Es kam vor, dass Touristinnen und Touristen durch den Zaun filmten und klatschten, wenn jemand bei einer Abdankung Alphorn spielte. «Nicht aus Bosheit, sondern aus Unwissenheit», betont die Pfarrerin. «Sie dachten wohl, die Zeremonie sei für sie inszeniert.» Das bewohnte Lauterbrunnen oder das Freilichtmuseum Ballenberg sei für viele Touristen das Gleiche.

«Gehen weg wie warme Weggli»

«Overtourism» – Übertourismus: Das gibt es in Venedig, Barcelona, Dubrovnik – und Lauterbrunnen. Die reformierte Kirchgemeinde setzt den negativen Auswirkungen eine positive Aktion entgegen: Seit gut einem Jahr fabriziert ein Kernteam von vier Personen und weiteren Interessierten Segenskärtchen, welche die Gäste aus aller Welt mit auf ihre Weiterreise nehmen dürfen. Sie sind kreditkartengross, handgeschrieben, mit Zeichnungen verziert und mit dem Logo der Kirchgemeinde versehen. Die Kärtchen liegen in den Kirchen Lauterbrunnen, Mürren und Wengen auf und «gehen weg wie warme Weggli», sagt die Pfarrerin zu «reformiert». «Segen to go» heisst diese Aktion. Entstanden ist sie, als sich die Kirchgemeinde mit dem Thema der Gastfreundschaft befasste. «Als Kirche wollen wir Gastfreundschaft im christlichen Sinn leben», erklärt Eva Leuenberger. 

Die Kirche ist offen

Segenswünsche

Weil die Segenswünsche ein so grosser Erfolg sind, werden die Kärtchen inzwischen gedruckt und auch auf Englisch übersetzt. Ursprünglich handgeschrieben sind sie aber immer noch. Die 80-jährige Margarete Schmocker ist dafür schon manche Stunde am Schreibtisch gesessen. An Pfingsten vor einem Jahr öffnete sich während des Gottesdienstes die Kirchentür, und eine Gruppe asiatischer Touristen setzte sich in die hinterste Reihe. «Ich fragte sie auf Englisch, ob sie am Gottesdienst teilnehmen möchten», erzählt Eva Leuenberger. Nach dem Gottesdienst dankten ihr die Touristen. Es waren Christen aus Südkorea. Sie hätten an Pfingsten in einer Kirche sein wollen. Die Kirche in Lauterbrunnen war offen für sie.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Dienstagsmail Nr.887.

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Datum: 06.09.2025
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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