Christen und das Recht

Vertrauen, aber besser nicht blind

Welche Bedeutung hat das Schweizerische Zivilgesetzbuch für unsere Rechtssprechung und ins insbesondere für christliche Geschäftsleute? Gedanken von Notar Christoph Wirz.
Christoph Wirz

«Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.» - Diese zentralen Aussagen in Artikel 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches haben auch nach hundert Jahren nichts von ihrer Bedeutung verloren.

So darf man mit Fug und Recht behaupten, das ZGB sei ein Jahrhundertwerk. Wie lange es noch gelten wird, ist eine Frage der gesellschaftlichen Entwicklung. Für jeden Juristen ist es ein gesetzgeberischer Wurf ohnegleichen. Aber auch für den Laien ist die Sprache des Gesetzes lesbar und verständlich, in der Regel wenigstens.

Wenn die Bedeutung des ZGB mit einer Sondermarke gewürdigt wird, so sagt das doch einiges. Gerade in Beziehungen unter Christen, aber sicher nicht nur, setzen wir im Partner voraus, dass er nach Treu und Glauben handelt, sei dies privat oder geschäftlich. Wir «setzen darauf» ist eigentlich der falsche Ausdruck - wir «vertrauen darauf».

Es ist eben so: Rechte kann man missbrauchen, Pflichten vernachlässigen. Die Bestimmung von Art. 2 ZGB ist ein schönes Beispiel dafür, wie sittliche oder ethische Vorstellungen Eingang finden in einem Gesetz, in Stein gemeisselt sozusagen. Wohlverstandene Gesetzgebung bewegt sich ja nicht im leeren Raum, sondern stützt sich auf gesellschaftliche Verhältnisse und Entwicklungen.

Die Aussagen in Art. 2 des ZGB finden ihre Grundlage auch in den ethischen Grundsätzen des Christentums. Es bleibt dem Leser überlassen, entsprechende Aussagen in der Bibel zu finden. Wie wäre die Stichwortsuche «Vertrauen»?

Man darf darauf vertrauen, dass sich Christen nach diesen Grundsätzen richten. Entsprechend darf ich einem christlichen Partner mein Vertrauen schenken, ihm einen Vertrauensvorsprung gewähren. Das heisst aber nicht, blindes Vertrauen entgegenbringen.

Gerade im Geschäftsverkehr gilt es, immer die üblichen Gepflogenheiten und Vertragsformen zu wählen, Risiken zu minimieren. Es dünkt mich empfehlenswert, Verträge mit Christen nicht anders abzuschliessen.

In der manchmal heil anmutenden Welt der Christen gibt es zuweilen auch wenige graue Schafe, die es mit Treu und Glauben nicht so genau nehmen. Oder die zuweilen zu einer kleinen Notlüge greifen. Oder die die Steuerhinterziehung verwechseln mit der Steueropti­mierung.

Ich bin nicht Richter, aber für mich gilt: Geschäftsbeziehungen mit Christen gleich handhaben wie mit allen anderen. Und: es gibt keine Kavaliersdelikte, nur Delikte. Und: für Christen sind strenge Massstäbe anzulegen. Und wenn trotzdem einmal ein Rechtsstreit unter Christen unvermeidlich scheint: Schön, wenn man ihn unter Vermittlung von Vertrauenspersonen aussergerichtlich regeln kann.

Christoph Wirz arbeitet als Notar mit eigenem Büro in Oberhofen am Thunersee.

Diesen Artikel hat uns freundlicherweise «ideaSpektrum Schweiz» zur Verfügung gestellt.

Datum: 02.07.2012
Autor: Christoph Wirz
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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