Rituelle Gewalt

«Blinder Fleck» – was niemand sieht…

Liz Wieskerstrauch ist Regisseurin und Autorin
Liz Wieskerstrauchs neuer Film «Blinder Fleck» wird ab Oktober dank des Vereins CARA (Care About Ritual Abuse) in Schweizer Kinos gezeigt. Er thematisiert rituelle Gewalt. Die Produzentin möchte damit ein Sprachrohr sein für Betroffene.

«Schon vor der Kino-Premiere habe ich die höchste Auszeichnung für diesen Film erhalten», hält Liz Wieskerstrauch fest. Der von zahlreichen Spendern finanzierte investigative Film zeigt das Ausmass organisierter ritueller Gewalt in Deutschland. Er wirft die drängende Frage auf, warum die Ermittlungen bislang in keinem einzigen Fall zu einer Anklage, geschweige denn zu einer Verurteilung geführt haben. Glaubt man den zahlreichen Opfern nicht? Wird schlampig ermittelt? Warum werden Verfahren so schnell eingestellt?

Sprachrohr für Betroffene

Im Doku-Film «Blinder Fleck» lässt Wieskerstrauch Menschen zu Wort kommen, die im Kindesalter missbraucht wurden, denen wegen fehlender Fakten jedoch kaum geglaubt wird. Die Regisseurin sieht sich als Sprachrohr für Betroffene. «Es gibt Menschen, die erinnern sich an Missbrauch in ihrer Kindheit, aber die Justiz kann nichts finden», hält die 70-Jährige fest. «Solange Gesellschaft, Justiz und Medien wegschauen, schützt das die Täter, die weiterhin unbehelligt Kinder malträtieren können.» In ihrem Film geht es um Menschen, die unter dissoziativen Identitätsstörungen leiden. Bei dieser Traumafolgestörung werden Erinnerungen abgespalten – eine geniale Überlebensstrategie des Gehirns. «Aber sie hat den Nachteil, dass die Menschen diese innere Aufspaltung ihr ganzes ­Leben lang behalten und darum Erinnerungslücken aufweisen», führt die Regisseurin aus.

Rituelle Gewalt – ein Mythos?

Wilfried Hippen hat Wieskerstrauch für die taz interviewt. Hippen ist Vorsitzender der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW), die den Film «Blinder Fleck» als «besonders wertvoll» ausgezeichnet hat. An der Bewertung des Films war er nicht beteiligt. Er will wissen: «Sehr oft erinnern sich diese Frauen an ritualisierte sexuelle Gewalt in ihrer Kindheit. Was verstehen Sie darunter?» Wieskerstrauch: «Es ist erwiesen, dass es pädokriminelle Organisationen gibt, die kinderpornografische Aufnahmen produzieren, mit denen sich Kriminalbeamte weltweit beschäftigen müssen.» Die Kinder darin müssten lange trainiert werden, um dann wie gewünscht zu funktionieren.

Weiter will Hippen wissen, ob der blinde Fleck darin besteht, dass diesen Frauen meist nicht geglaubt wird? Wieskerstrauch bestätigt das: «Ja! Es gibt unfassbar viele Menschen, die solche Erinnerungen haben. Ich thematisiere das deshalb, weil es keine eine einzige wissenschaftliche Studie gibt, die erklärt, wo das alles herkommen kann, wenn es nicht wahrheitsbasiert ist.»

Höllenleben

Schon vor 20 Jahren hat Wiesekerstrauch für die ARD eine zweiteilige Dokumentation zum Thema gemacht mit dem Titel «Höllenleben». Danach wurden Ermittlungen aufgenommen, die jedoch zu nichts führten. «Menschen erinnerten sich an schwerste Gewalt in frühester Kindheit, aber die Justiz konnte nichts finden», erinnert sich die Regisseurin. Im Film «Blinder Fleck» befragt sie den renommierten Fallanalytiker Axel Petermann. Auch er hat intensiv zu diesem Thema ermittelt und keine Belege für die genannten Verbrechen gefunden. «Unterminieren Sie damit nicht selbst ihre Grundthese von einer weit verbreiteten ritualisierten Gewalt?», fragt Hippen. Wieskerstrauch reagiert nicht überrascht: «Es ist wichtig, dass man bei solch einem Film auch die Infragestellung mit einbaut und alles immer selbst hinterfragt.» Dies gelte auch für das Gespräch mit der Opferanwältin Ellen Engel, die ebenfalls vorsichtig sei und nicht alles 1:1 übernehme. «Das ist für mich die richtige Haltung», bestätigt die Regisseurin.

Schön, wenn es nicht wahr wäre…

«Wird nach dem Paradigmenwechsel durch die Me-Too-Bewegung den Frauen im Vergleich zu den Publikumsreaktionen vor 20 Jahren jetzt mehr geglaubt?», fragt Hippen. «Im Gegenteil! Als die Dokumentation damals in der ARD gesendet wurde gab es eine überraschend hohe Einschaltquote und nur positive Kritik von allen Seiten.» Jetzt sei es so, dass sie allein dadurch, dass sie den Betroffenen ein Sprachrohr gebe, als Verschwörungstheoretikerin bezeichnet werde. «Aber ich möchte im journalistischen Sinn ausgewogen sein», betont Wieskerstrauch. «Natürlich bin ich empathisch auf der Seite der Betroffenen. Auch weil die Kritiker diese Frauen gerne lächerlich machen. Aber wenn es tatsächlich einmal wissenschaftlich erwiesen würde, dass diese Erinnerungen nur Hirngespinste sind, dann wäre das auch für mich eine grosse Erleichterung. Das muss aufgeklärt werden und dies ist der Impuls, warum ich 'Blinder Fleck' gemacht habe.»

Der Film wird an folgenden Orten gezeigt:

Mo, 20.10., 19:30 h - Herisau, Cinétreff
Di, 21.10., 20 h - Winterthur, Kiwi Center
Mi, 22.10., 19 h - Wädenswil, SchlossCinema
Do, 23.10., 19:30 h - Zürich, Stüssihof Kino
Fr, 24.10., 19:30 h - Zürich, Stüssihof Kino
Sa, 25.10., 14 h - Thun, Kino Rex
Sa, 25.10., 18 h - Bern Cinématte
So, 26.10., 14 h – Basel, Saal 1
So, 26.10., 19:30 h – Zürich, Stüssihof Kino

Zur Website: 
Ticket-Vorbestellung
Liz Wieskerstrauch
Verein CARA

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Datum: 27.09.2025
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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