Perspektivwechsel auf der Wüstenwanderung
«Keine Steine aufheben, Junge! Darunter können Schlangen und Skorpione sein», fuhr mich der Reiseführer schroff an. Ich war irritiert. «Das kann man auch freundlicher sagen», dachte ich. Damals kannte ich die Gefahren nicht. Und nie hätte ich als Teenager gedacht, dass ich eines Tages unweit der Wüsten Israels leben würde.
Die Wüstenregionen faszinieren mich. Sie scheinen tot und trocken – doch das stimmt nicht. Man muss nur genauer hinschauen. Besonders liebe ich die Abende in der Wüste, wenn die Temperatur fällt und eine warme, kräftige Brise über das Gesicht streicht. Die Sonne versinkt am Horizont und taucht den Himmel in einzigartige, wunderschöne Farben.
Allein in der Wüste
Doch es gibt auch andere Wüstenzeiten: Sie stehen sinnbildlich für harte, schwierige und trockene Phasen im Leben. Zeiten der Krise, des Wartens, der inneren Leere. Vor einigen Jahren fühlte sich mein Leben wie eine endlose Wüste an. Es waren nicht Tage, nicht Monate, sondern Jahre. Einmal sagte ich zu einem Freund: «Ich will wieder Lebendigkeit in meinen Adern spüren.»
Ich hatte tiefen Zerbruch erlebt. Und immer, wenn ich dachte: «Jetzt geht es bergauf, jetzt schenkt mir Gott den Durchbruch!», entpuppte sich die Hoffnung nur als kleine Oase. Eine kurze Verschnaufpause. Mein Frust gegenüber Gott wuchs. Ich hatte gebetet, gefastet – und doch schien er fern. Wie konnte er mich übersehen? Ich fragte mich, ob er vielleicht sogar Freude daran hatte, mich leiden zu sehen.
In dieser Zeit sprach ich mit einem treuen Freund und vertraute ihm all meine Enttäuschung über Gott und das Leben an. Er verurteilte mich nicht. Stattdessen zitierte er ruhig, überlegt und mit zuversichtlicher Stimme den Bibelvers aus 5. Mose Kapitel 2, Vers 7: «Der Herr gab acht auf deine Wanderung durch diese grosse Wüste.»
Diese Worte trafen mich mitten ins Herz. Mein versteinertes Inneres begann zu schmelzen. Im fahlen Kerzenschein des Restaurants versuchte ich, meine Tränen zu verbergen. Eilig wischte ich sie mit dem Ärmel meines Pullovers fort. Ich hatte Gott zum Schuldigen für meine Misere gemacht. Ich sah ihn nur noch als den, der mir alles versagte, was ich mir wünschte.
Gott leidet mit
Plötzlich war da ein neuer Gedanke: Gott leidet mit mir. Er sieht mich. Aber nicht nur das: Im Hebräischen spricht der Vers von einer tiefen Intimität des Mitfühlens, des Sich-Annehmens, des Wahrnehmens. Oder in einer anderen Übersetzung: Er nimmt das Wandern auf sein Herz. Gott weiss nicht nur darum – er fühlt es. Er leidet mit.
Zwar änderten sich meine Umstände nicht sofort, aber in mir begann etwas Neues. Mir wurde klar: Gott geht mit mir durch die Wüste. Er kennt jeden Moment. Wie ein Kind, das in den Arm genommen wird, das hingefallen ist und Trost braucht. Keine Erklärungen, keine schnellen Lösungen.
Von da an wurde der Weg leichter. Die Last auf meinen Schultern wurde tragbarer. Gott sieht mich und nimmt meinen Schmerz und meine Trockenheit auf sein Herz. Heute darf ich diesen Vers weitergeben. Ich spreche ihn in das Leben derer, die ihn brauchen – denn Gottes Worte entfalten auch bei anderen Wüstenwanderern ihre Kraft.
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Datum: 03.08.2025
Autor:
Benjamin Funk
Quelle:
Magazin Family 04/2025, SCM Bundes-Verlag