Vom Vergnügen zur Freude

„Meine Freunde sagen, ich sei vergnügungssüchtig. Natürlich bin ich viele Abende unterwegs. Aber ich habe meinen Spass daran. Und das ist ja das wichtigste.

Allerdings, bei meinem guten, alten Freund bin ich immer etwas verunsichert. Er strahlt so eine Ruhe und Gelassenheit aus, die mich manchmal ganz nervös macht und die ich kaum aushalte. Gleichzeitig spüre ich, dass er irgendwie zufriedener, glücklicher ist als ich. Manchmal beneide ich ihn darum. – Ich müsse mehr zu mir selber kommen, meint er. Aber, was heisst das schon? Und wie mache ich das?“

Für Paul Claudel ist der Mensch „nicht zum Vergnügen geboren, sondern zur Freude“. Im Wort ‚Vergnügen’ steckt das Wort ‚genug’. Es kommt ursprünglich aus dem rechtlichen Bereich und meint: zufriedengestellt, ‚vergnügt’, wenn der andere genug bezahlt hat. Freude aber kommt von froh und meint die innere Erregung – wenn das Herz hüpft vor Freude.

Wer von einem Vergnügen zum andern läuft, kann nicht genug davon kriegen. Er muss immer noch mehr Spass oder fun haben. Er hat zwar jedes Mal seine Unterhaltung und ist kurzfristig zufriedengestellt. Aber er ist nicht wirklich innerlich erfüllt.

Die Spassgesellschaft lebt von der Kurzlebigkeit des Angebotes. Sie ist damit ein Spiegelbild unserer Zeit, in der die Freude im Herzen verloren gegangen scheint, in der die innere Unfähigkeit zur Freude sich immer weiter ausbreitet.

Wer immer in Eile ist, kann sich nicht mehr freuen. Das hat schon Hermann Hesse gesehen, wenn er schreibt: „Die hohe Bewertung der Minute, die Eile als wichtigste Ursache unserer Lebensform, ist ohne Zweifel der gefährlichste Feind der Freude. Möglichst viel und möglichst schnell ist die Losung. Darauf folgt immer mehr Vergnügung und weniger Freude.“

Die Freude aber braucht Raum für den Augenblick und die Tiefe: Dass wir ganz bei dem sind, was wir gerade tun. Mit allen Sinnen geniessen, was der Augenblick uns schenkt. Die tiefe Freude über eine wunderschöne Blume, über eine Begegnung mit einem Menschen, die uns berührt, erfüllt unser Innerstes nachhaltig und macht uns lebendig. Wir brauchen dann nicht immer mehr davon.

Die Freude liegt immer schon bereit - verborgen in der Tiefe des Herzens eines jeden Menschen, wie ein Schatz, der entdeckt werden will. Mit unserer Offenheit für die von Gott gegebene Würde und Schönheit in den Dingen und in allem Lebendigen wächst auch unsere eigene Würde und Schönheit.

Datum: 13.07.2004
Autor: Roman Angst
Quelle: Bahnhofkirche Zürich

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