Überzeugende Schönheit

Die Sehnsucht nach einem schönen Evangelium

Andy Kind
Beim Sprechen über den Glauben hilft es nur selten, das letzte Wort zu haben oder die meisten Fakten. Andy Kind plädiert vor diesem Hintergrund für ein Evangelium, das Raum für Geheimnis und Schönheit hat und dadurch einladend wirkt.

Immer wieder diskutieren Christen darüber, was der richtige Weg ist, um Menschen zu einem lebendigen Glauben einzuladen. Dabei gibt es einige weit verbreitete Methoden wie zum Beispiel die vier geistlichen Gesetze von Bill Bright oder theologische Konzepte wie die Apologetik, das Verteidigen christlicher Wahrheiten. Eine Einigung auf den geeignetsten Weg ist nicht in Sicht. Glücklicherweise. Denn sowohl Gläubige als auch ihr Zielpublikum sind einfach unterschiedlich und deshalb scheint eine unterschiedliche Ansprache sehr sinnvoll zu sein.

Der Brite Andy Kind predigt gern als Evangelist. Was ihm einen besonderen Zugang zum Evangelium und seinen Zuhörenden gibt, ist sein Brotberuf: Stand-up-Comedian. Das bedeutet nicht, dass alles, was er sagt, witzig sein muss, aber er denkt gern von seinem Gegenüber her. Für «Premier Christianity» verfasste er einen Artikel, in dem er die Schönheit des Gesagten als von der Kirche vergessene Tür beschreibt. Das sind seine wichtigsten Gedanken:

Persönliche Betroffenheit

Viele Christen sind sich extrem sicher, was ihre Art zu evangelisieren betrifft. Und dann kommt da dieser nichtchristliche Freund… So ging es jedenfalls Andy Kind, der einen Freund zu seiner Evangelisation einlud. Als er predigte, dass es um Fakten und nicht Gefühle ging, hatte er ihn schon fast verloren, denn der Freund war nicht gekommen, um sich belehren zu lassen, sondern um eine bereichernde geistliche Erfahrung zu machen. «Seine Tiefe rief nach Tiefem, aber ich reichte ihm nur Schwimmflügel und schickte ihn ins Babybecken», fasst Kind seinen Eindruck zusammen. An diesem Abend lernte er mehr als der eingeladene Freund. Ihm wurde klar, dass es mehr Türen ins Reich Gottes gab als die des Verstandes. Er dachte an ein Gedicht von Ingrid Godd-Maidoff, in dem es heisst: «Gott sprach heute in Blumen, und ich, die auf Worte wartete, hätte das Gespräch beinahe verpasst.»

Was Kunst kann

Beim Nachdenken über seine eigene Verkündigung und die von anderen fiel Kind auf, dass der Protestantismus in seinem Kampf für die Wahrheit die Schönheit vergessen hatte. «Wir haben sie der Kunst überlassen und als dekadent bezeichnet», stellt er fest. Gott wurde unsichtbar und alles sichtbar Schöne wurde entweder verzweckt oder stand unter Generalverdacht, vom Eigentlichen abzulenken. Lobpreismusik könnte hier ein Ausweg sein, doch meist ist sie laut Kind «zu funktional». «Schönheit schafft Ehrfurcht und Stille. Kunst scheut sich nicht, Fragen zu stellen, ohne Antworten zu geben.» Dazu kam die Aufklärungsseite des Glaubens, die die Sinnsuche zu einer Verstandesreise gemacht hatte.

Doch Dinge änderten sich. Früher konnten Evangelisten wie Billy Graham Menschen «zurück zu Gott» rufen. Ihre Zuhörenden wussten noch um ihr himmlisches Zuhause und hatten eine Idee davon, wo sie vom Weg abgekommen waren. Das ist heute nicht mehr der Fall. Jesus ist für viele unbekannt, gesichtslos. Andy Kind merkte, dass die Einladung zu Jesus nicht über laute Umkehr-Appelle erfolgt, sondern eher wie das geheimnisvoll-freundliche Winken des Bibers im ersten Narnia-Buch, der die Kinder damit durch den Wald zu Aslan, dem Löwen führen möchte.

Schönheit ist kein neuer Weg

Solche Schönheit ist keine neue Mode der Evangelisation, sondern ein alter Weg, nach Kind «das vergessene Tor, das von Unkraut befreit wurde». Schon Thomas von Aquin (1225-74) beschrieb Schönheit als «id quod visum placet» (das, was gesehen wird und gefällt). Und der Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar (1905-88) meinte: «Schönheit zu betrachten bedeutet genau genommen, die göttliche Liebe zu betrachten.» Kind ergänzt: «Schönheit ist die Uninteressierte, die tanzt, als würde niemand zusehen, frei von Scham, Schuldgefühlen und emotionaler Erpressung präsentiert sie sich als ungezügelte Pracht um die doppelten Säulen des Wahren und Guten herum. So ist sie zugänglich und nahbar. Sie schreibt uns kein bestimmtes Vorgehen vor, sondern führt uns sanft über die scharfen Kanten von Streit und Zwietracht hinweg an einen ruhigen Ort. Dort haben wir die Möglichkeit, die Frage zu stellen, die alle Kunst und jede Geschichte antreibt: Was wäre, wenn?»

Ein schöner Schluss

Kommunikation ist das Handwerk des Stand-up-Comedian. Bei seinen Überlegungen realisierte er, dass seine Gegenüber bei Veranstaltungen nicht sagten: «Erkläre es mir genau», sondern viel eher: «Zeig mir, dass es interessant ist.»

Kinds Freund fand übrigens seinen Weg zu Jesus, allerdings nicht durch ihn oder eine Predigt. Er las das altenglische Heldengedicht «Beowulf». Am Ende der Geschichte tötet dieser Held einen Drachen, wird dabei aber selbst tödlich verletzt. Etwas in der Schönheit dieser Saga öffnete ihm die Augen für die Wahrheit, dass jeder solch einen Helden braucht, der für ihn stirbt. «Ich erkannte, dass wir einen Helden brauchen, der grösser ist als der Tod», sagte der Freund. «Endlich habe ich es verstanden – wir brauchen Jesus.» Kann Schönheit Menschen für Jesus gewinnen? Natürlich.

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Datum: 04.08.2025
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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