Theologe Dr. Heinrich-Christian Rust

Die Türen sind sperrangelweit offen

„Vor uns liegt ein Jahr der offenen Türen.“ Davon ist der Theologe Dr. Heinrich-Christian Rust überzeugt. „Schon lange nicht mehr waren Menschen so offen für Religion und Glaubenserfahrung. Darin liegt eine ungeheure Chance für die christlichen Gemeinden im Jahr 2007.“


Dr. Heinrich-Christian Rust

Rust erinnert an ein Wort aus dem Buch der Offenbarung, in dem es heisst: „Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan.“ (Die Bibel, Offenbarung 3,8). Mit einem Kollegen leitet er die Friedenskirche in Braunschweig. Zu den drei Gottesdiensten am Sonntag kommen 850 Besucher - damit ist die Baptistengemeinde die grösste im „Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden“ (BEFG) in Deutschland.

Offenheit hat der Heilige Geist gewirkt

In dieser Offenheit der Menschen sieht Rust „das Wirken des Heiligen Geistes“. „Es ist nun an uns Christen und an den Gemeinden, dass wir diese Chance auch ergreifen.“ Von dieser neuen Religiosität, davon ist Rust überzeugt, werden nicht nur Freikirchen, sondern auch die Landeskirchen profitieren.

„Ich erwarte, dass die Grosskirchen auch sehr viele Menschen erreichen können, wenn sie ihre Angebote mit geistlichem Leben füllen. Sie schöpfen aus einem reichen Schatz von Tradition, Symbolik und Ritualen, das ist etwas, was viele Menschen heute wieder suchen. Ich könnte mir vorstellen, dass beispielsweise die orthodoxen Kirchen eine ungeahnte Renaissance erleben werden.“

Sichtbare Zeichen und Rituale

In der Baptistengemeinde in Braunschweig bemühe man sich, berichtet Rust, diesen Hunger nach Formen und Ritualen zu stillen. Kerzen anzünden, hinknien, Gebet um Heilung, ein Abendmahlsverständnis, dass die Begegnung mit Gott im Zentrum habe - viele Elemente seien hilfreich um Glauben und Glaubenserfahrung auch für die Sinne zu vermitteln und Gestalt zu geben.

Christen sollten ein Beispiel sein

„Wenn wir Christen nicht zeigen können, wie man mit Unsicherheit leben kann - ja, wer denn dann?“, fragt Heinrich-Christian Rust. „Wir können unsere Sicherheit und unseren Frieden nicht an einem sicheren Arbeitsplatz und unserer Gesundheit festmachen. Jesus fordert uns auf: ‚Sorget nicht!‘ Das ist eine ungeheure Herausforderung in unserer Zeit.

Mitten in Unsicherheit und Not, haben wir eine Kraft entgegenzusetzen: „Wir können zeigen, dass wir dem Herrn treu sind, auch wenn wir arbeitslos oder krank sind.“

Hilfe macht Liebe sichtbar

Dieses „Ja“ zu Armut und Schwachheit zeige sich auch darin, so Rust, Menschen praktisch zu helfen. Helfende, gemeindenahe Dienste, getragen von ehrenamtlichen Mitarbeitern, seien eine dringende Antwort auf die Not der Menschen.

In der Braunschweiger Baptistengemeinde werden etwa zwölf verschiedene diakonische Dienste in einem gerade neu gegründeten „Netzwerk der Nächstenliebe“ koordiniert, darunter Hilfe für Strassenkinder, Hausaufgabenbetreuung oder auch Sterbebegleitung.

Gemeinsames Leben ist gefragt

Im Blick auf die zukünftige Entwicklung kirchlicher Formen und der Gestalt der Kirchen, meint Rust. „Es wird neue Formen von Kirche geben, die uns zunächst fremd erscheinen. Die Hauskirchen sind da ein Beispiel. Ich denke, dass es auch mehr kirchliches Leben in kommunitären Lebensformen, mit einem hohen Mass an Verbindlichkeit geben wird.“ Ob mit oder ohne eigenes Gebäude - das sei ebenso Kirche im Sinne von Jesus. „Entscheidend ist die geistliche Qualität des Miteinanders und der Gemeinschaft.“

Datum: 01.01.2007
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet.ch

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