«Freude herrscht!»

Adolf Ogi: «Ich habe nie alles richtig gemacht»

Was hat ein Alt-Bundesrat Pastoren und Gemeindeleitern zu sagen? Ziemlich viel, wie sich an der Delegiertenversammlung der SEA zeigte. Es ging um Führungsprinzipien.
Adolf Ogi vor den Delegierten der SEA
Christian Haslebacher (Vorstandsmitglied SEA und Moderator), Wilf Gasser, Präsident der SEA, und alt Bundesrat Adolf Ogi

«Freude herrschte» – um den inzwischen zum Kalauer gewordene Motto von Alt-Bundesrat Ogi aufzunehmen – an der Delegiertenversammlung der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) am Samstag an der Freien Strasse in Zürich. Der Auftritt des inzwischen 74-jährigen alt Bundesrates, der noch kein bisschen müde wirkt und weitere Visionen für die Zukunft der Schweiz hat, bildete das Abschlussbouquet der DV.

Führungsarbeit in Politik und Gemeinde

Die SEA hatte den At-Bundesrat eingeladen, um vor Pastoren und Gemeindeleitern über Führungsprinzipien zu sprechen. Doch kann das ein Politiker wirklich? Durchaus, wenn es Adolf Ogi ist – das zeigte sich schnell an der fast einstündigen Rede, gespickt mit Anekdoten und vorgetragen, als ob es eine Abstimmung zu gewinnen gälte. Da kam keine Sekunde Langeweile auf.

Gemeinsame Werte

Wenn Ogi über seine Werteskala spricht, treten schnell Gemeinsamkeiten zutage, zum Beispiel Respekt, Dankbarkeit und Anerkennung, wenn er über seinen eigenen Vater spricht. Oder wenn er über sein Ziel spricht, die Welt besser zu machen. Bei Ogi ist es dann vor allem der Sport, der als eine Art Lebensschule zu verstehen sei. Ogi förderte ihn als Bundesrat, als er ihn als Verteidigungsminister in sein Departement holen konnte, nach seiner Regierungszeit auch als Sonderberater für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden und als Berater des UNO-Generalsekretärs.

Die Skepsis verstummte

Dienen, unterstützen und verständlich sein sind weitere Schlüsselbegriffe, die er von zuhause und aus der Schule mitgenommen habe, so der verdiente Magistrat, der ohne Uni-Abschluss in die Schweizer Regierung gewählt wurde und dessen Qualifikation dafür von der renommierten NZZ damals in Frage gestellt wurde. Als Direktor des Skiverbandes hatte er Jahre zuvor grosse Erfolge an den Olympischen Spielen in Sapporo gefeiert, sodass das Motto «Ogis Leute siegen heute» in aller Munde war. Doch als Bundesrat musst er sich 1987 erneut beweisen. Er verstand es, die Skeptiker bald zum Schweigen zu bringen.

Die Neat gestemmt

Sein nachhaltigster Erfolg als Bundesrat war der Bau der Neuen Alpen-Transversale (NEAT), der mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels letzte Woche – 16 Jahre nach seinem Rücktritt – seinen Zenit erreichte. Dass das Mammut-Werk möglich wurde, bestätigte Ogi darin, dass es für die Umsetzung von Visionen immer ein Zeitfenster gibt, das man nicht verpassen darf. Wer es verpasst, bekommt keine zweite Chance. Eine Aussage, die auch Gemeindeleitern nicht unbekannt sein dürfte und sie gleichzeitig anspornen kann. Und es bedeutete bei der Neat auch, dass sowohl Ostschweizer wie Westschweizer gewonnen werden mussten und konnten. Niemand durfte sich übergangen fühlen. Kennt man das nicht auch in Kirchen und Gemeinden? In der Politik geht es darum eine mittlere (Un)Zufriedenheit zu erreichen.

Führungsprinzipien auch für die christliche Gemeinde

Adolf Ogi hat vier Führungsprinzipien entwickelt, die auch für Kirchen Gültigkeit besitzen.

  • Erstens: Wir haben es immer mit Menschen zu tun, die respektiert und anerkannt werden wollen.
  • Zweitens: Im Zentrum steht ein Auftrag, der klar umrissen ist und für den der Chef selbst seinen Kopf hinhält. Die Neat war für Ogi Chefsache.
  • Drittens war es Ogi wichtig, gleich zu Anfang klar zu machen, dass jeder zum Mitdenken aufgefordert ist, dass es aber ein Ausrichten auf gemeinsame Ziele braucht. Die Mitarbeiter sollen mitdenken, das Vertrauen des Chefs haben, sich unterstützt fühlen, aber nicht für Fehler büssen müssen.
  • Der vierte Pfeiler ist die Kommunikation: Sie muss nach aussen gut sein, aber auch nach innen. Alle sollen wissen, was sie erreichen müssen und dafür Begeisterung entwickeln können. Ogis Leitspruch lautet: «Ich mache woran ich glaube, und ich glaube an das, was ich mache. »

    Ogi wollte keine Angstkultur in der Verwaltung aufkommen lassen, auch wenn er die Leute zur Leistung anspornte. Er ermutigte zur Authentizität, was auch heisst, seine Stärken und Schwächen zu erkennen. Seinen Mitarbeitenden gab er noch 12 weitere  Führungsgrundsätze weiter, die im Grundsatz münden: «Gemeinsam sind wir stark.»

Wie Ogi auf einen Schicksalsschlag reagiert

Persönlich wurde der mit zahlreichen Ehrendoktortiteln und Preisen ausgezeichnete Alt-Bundesrat 2009 vom Tod seines einzigen Sohnes Matthias geprüft, was sein Gottvertrauen auf eine harte Probe stellte. Er hat auf seine Weise darauf reagiert, indem er die Stiftung «Freude herrscht» gründete, mit dem Ziel «Mathias' Tugenden Lebensfreude, Leistungsfähigkeit, Durchhaltewille, Hilfsbereitschaft und Kameradschaft an kommende Generationen weiter zu vermitteln.»

Er schloss sein Referat mit einem Bonmot, das er den Parlamentariern – mit Blick auf die kritischen Stimmen vor seiner Wahl – zu bedenken gab, nachdem sie ihn mit stehenden Ovationen im Jahr 2000 aus dem Amt verabschiedet hatten: «Ich war besser als mein Ruf, aber nicht so gut wie mein Nachruf.»

Zur Webseite:
Stiftung «Freude herrscht»

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Datum: 07.06.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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