Konferenz boykottiert

Tiefer Riss in der Anglikanischen Kirche

Die Gruppe konservativer anglikanischer Geistlicher «Gafcon» hat beschlossen, die Lambeth-Konferenz 2020 nicht zu besuchen. Dies aus Protest gegen die Einladung «verheirateter» schwuler Bischöfe.
Mitglieder des «Gafcon Primates Council» in einer Zusammenkunft in Sidney

Es ist das wichtigste Gipfeltreffen der Anglikanischen Kirche: Alle zehn Jahre treffen sich die anglikanischen Pfarrer und Bischöfe aus aller Welt mit ihrem geistlichen Haupt, dem Erzbischof von Canterbury, zur «Lambeth»-Konferenz. Jetzt hat eine Gruppe von Geistlichen, die sich als «Gafcon» bezeichnet (Global Anglican Future Conference, etwa: Weltweite Konferenz der Zukunft der Anglikaner), bei einem Treffen in Sidney (Australien) angekündigt, dass eine grosse Anzahl anglikanischer Leiter aus dem globalen Süden «Lambeth 2020» nicht besuchen wird. Der Grund: die Einladung schwuler anglikanischer Bischöfe in Partnerschaft, die offen LGBT-Praktiken befürworten.

In einer Erklärung werfen die «Gafcon»-Teilnehmer der Kirchenleitung vor, dass «Lambeth 2020» gegen seine eigenen Grundsätze verstosse, nicht an der Ehe festhalte und «Praktiken legitimiert, die inkompatibel mit der Heiligen Schrift sind». «Diese Inkohärenz reisst den Stoff der anglikanischen Gemeinschaft weiter auf und unterminiert die Grundlagen für eine Versöhnung», heisst es weiter in der Erklärung.

Parallel-Konferenz

Die Gruppe hat auch angekündigt, im Juni 2020 in Kigali (Ruanda) ein eigenes Treffen anglikanischer Bischöfe einzuberufen. Damit wolle man «Lambeth 2020» nicht konkurrenzieren, sondern «den Bischöfen ein Treffen ermöglichen, die sich an die Beschlüsse der 'Erklärung von Jerusalem' halten». Im Juni 2018 hatten etwa 2'000 anglikanische Delegierte aus aller Welt eine Erklärung über das Evangelium, die Familie und die Welt verabschiedet, in der im 8. Punkt festgehalten wurde: «Wir anerkennen Gottes Schöpfung der Menschheit als männlich und weiblich und den unveränderlichen Standard der christlichen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau als den richtigen Platz für sexuelle Intimität und die Basis der Familie.»

Strukturelle Trennung möglich – Welby bedauert

Die andauernde Diskussion über Ehe, menschliche Identität und LGBT-Themen hat sich zu einer grundsätzlichen Debatte über christliche Lehre und die Autorität der Bibel in den verschiedenen anglikanischen Provinzen weltweit ausgeweitet. Der Leiter von Gafcon, der nigerianische Bischof Nicholas Okoh, hat im September 2018 die Möglichkeit einer «friedlichen strukturellen Trennung, die die Realität von unvereinbaren Differenzen über die Natur der Bibel und des Evangeliums anerkennt» angedeutet. Erzbischof Justin Welby seinerseits anerkennt die Krise, verlangt aber, dass alles versucht werde, vereint zu bleiben. «Die Schönheit der Gemeinschaft und des Dienstes ist es gerade, dass sie die Barrieren niederbricht, die uns trennen und uns zusammenbringt, um gemeinsame Lösungen zu finden», erklärte Welby.

Gafcon: «Reform und Erweckung»

Gafcon versteht sich selbst als «globale Familie von Anglikanern, die zusammenstehen, um die Bibel im Herzen der anglikanischen Gemeinschaft festzuhalten». Die Gruppe traf sich zum ersten Mal im Jahre 2008, weil «moralische Kompromisse, Irrlehren und der Zusammenbruch des biblischen Zeugnisses in der anglikanischen Gemeinschaft solch ein Mass erreichten, dass die Leiter der Mehrheit der Anglikaner weltweit es für nötig hielten, gemeinsam für die Wahrheit einzutreten», wie ihre Website erklärt. Zehn Jahre später waren es 2'000 Delegierte aus 50 Ländern, die im Juni 2018 zur Konferenz in Jerusalem zusammenkamen.

Die Bewegung versteht sich als «Reform- und Erweckungsbewegung» innerhalb der anglikanischen Kirche und vertritt nach eigenen Angaben «über 40 Millionen Anglikaner in aller Welt, aus verschiedenen Kontexten, Ländern, Kulturen und Sprachen, mit unterschiedlichem Hintergrund, aber eins in der gleichen Vision und Mission, das gleiche Evangelium Gottes den Nationen zu bringen». Weltweit gibt es rund 77 Millionen Anglikaner.

LGBT-Gemeinschaft ebenfalls «unglücklich»

Offenbar sind zur Lambeth-Konferenz 2020 gleichgeschlechtliche Partner von Bischöfen nicht eingeladen, wogegen Mitglieder der «Anglikanischen Episkopalkirche der Vereinigten Staaten», die LGBT-Gemeinschaften unterstützt, protestierte. «Wir verstehen, dass es in der anglikanischen Gemeinschaft unterschiedliche Auffassungen über die Ehe gibt», liessen sie verlauten und fügten hinzu: «Aber der Ausschluss von gleichgeschlechtlichen Partnern ist eine simplizistische Lösung für ein komplexes Problem. Es macht uns traurig, dass nicht alle willkommen sind, mit uns zu gehen, zu hören und zu bezeugen, und dass an diesem Treffen nicht alle Stimmen gehört werden.»

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Datum: 10.05.2019
Autor: Evangelical Focus / Reinhold Scharnowski
Quelle: Evangelical Focus / übersetzt und gekürzt: Livenet

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