Ist Gott unfähig?

Da war es wieder. Dieses himmlische anmutende Geräusch einer ankommenden Mail, welches immer noch einen minimalen Euphorieschub in mir zu erzeugen vermag. Denn jede Mail birgt auch immer die Chance von etwas völlig Überraschendem, Tollem, Neuem, Unerwartetem ...
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... und unerwartet war es tatsächlich. Eine simple Mail. Mit einer simplen Frage. Aber diese hatte es in sich. Eingepackt in wenige Worte prangte die Frage auf meinem Bildschirm: «Kann Gott einen Stein machen, den er selber nicht heben kann?»

Die erste Reaktion war ein abschätzig irritiertes «Pffff»-Geräusch. Doch Sekunden später dämmerte es mir, und der Gehalt der Frage sank auf den Grund meines Bewusstseins, um dort unbarmherzig aufzuschlagen, wie ein Amboss auf den Grund des Rheins. In dieser bescheidenen Frage steckte ein Angriff gegen meinen Glauben. Mein Glaube, der der Bibel zu folgen versucht, indem ich akzeptiere, dass da ein Gott ist, dem nichts unmöglich ist. Doch entweder habe ich nun einen Gott, der unfähig ist, den besagten Stein zu schaffen, oder ich habe einen Gott, der zu schwach ist, seine Erschaffung anzuheben. Eine Zwickmühle.

Beschnittene Allmacht

Egal wie man es dreht: Das Resultat ist ein zurückgestutzer Gott, in seiner Allmacht beschnitten. Spontan schossen mir mögliche Antworten durch den Kopf wie: «Kann er, will er aber nicht!», was jedoch von einem schelmischen Augenzwinkern begleitet werden muss und schliesslich eigentlich genau nichts klärt, oder aber auch «unendlich schwer hebt unendlich stark auf!», und wir haben eine Patt-Situation. Eigentlich hatte ich keine Lust, in diese Richtung, weiterzudenken und herauszufinden, was das dann genau bedeutet. Mein Hirn war jedoch anderer Meinung, und während ich in der folgenden Nacht meinen Körper zum Schlafen zwang, drehte es wild seine Runden, auf der Suche nach einer plausiblen Lösung.

Das Paradoxon

Das Resultat war die Erkenntnis, dass wir Allmacht definieren müssen. Und plötzlich landete ich beim Begriff Paradoxon, also etwas, das naturgemäss nicht möglich ist. Solche Sätze sind zum Beispiel: «Dieser Satz ist falsch!» Oder wenn ich als Schweizer behaupte, alle Schweizer lügen! Aristoteles sei Dank haben wir ein wunderschönes altbekanntes Paradoxon: «Der Barbier von Sevilla rasiert alle Männer von Sevilla, ausgenommen die, die sich selbst rasieren. Wer rasiert den Barbier von Sevilla?»

Es sind reine Gedankengebilde. Dazu kann man natürlich noch unzählige weitere Fragen aufwerfen wie: «Kann Gott eine Matherechnung machen, die er nicht selber lösen kann?» Oder: «Kann Gott einen Gott schaffen, der mächtiger ist als er?» Und natürlich: «Kann Gott sterben?»

Alles können, was sinnvoll ist

Die Frage nach Gottes Allmacht im Zusammenhang mit Paradoxien wurde bereits in der mittelalterlichen Philosophie diskutiert. «Kann ein Allmächtiger etwas schaffen, dass seine Allmacht begrenzt?» Allmacht kann nicht bedeuten, dass man ALLES können muss - also auch in sich widersprüchliche Dinge, wie rotes Grün oder gerade Kurve. Ein Allmächtiger kann auch sich selbst nicht aufheben - indem er plötzlich nicht mehr existiert. Allmacht heisst nicht, dass jemand Alles kann, auch Sinnloses; sondern dass jemand alles kann, was sinnvoll ist. Gott ist allmächtig, weil er alles kann, was gut und sinnvoll ist - was seinem Wesen entspricht.

Allmacht bezieht sich also auf das Möglich. Auch auf für uns scheinbar Unmögliches, zum Beispiel ein Meer zu teilen, aber das ist kein Paradoxon, sondern braucht einfach «nur» etwas, dass grösser ist als wir selbst. Deshalb kann Gott auch ein Meer teilen, weil er dazu einfach nur grösser sein muss als ich selbst. Paradoxien sind naturgemäss nicht möglich und daher auch keine Voraussetzung für Allmacht.

Die eigene Kraft begrenzen?

Hinter all diesen Fragen versteckt sich immer die ganz grundsätzliche und alles andere als doofe Frage: «Kann Gott seine eigene Kraft nach Belieben begrenzen?»

Das Ergebnis ist das Gleiche: ein in seiner Allmacht scheinbar begrenzter Gott. Der springende Punkt ist aber eben, dass Gott nicht unfähig ist, weil er den Stein nicht heben kann, sondern dass diese Tatsache vielmehr ein Zeichen von unbegrenzter Fähigkeit ist. Gott begrenzt sich absichtlich selber. Und diese Begrenzung macht ihn erst allmächtig, weil er die Fähigkeit hat, sich selbst zu begrenzen!

Klarer Liebesbeweis

Er begrenzt seine Fähigkeit, indem er Menschen schafft, die ihn freiwillig lieben können, die ihn aber auch anzweifeln können. Immer wieder mal hör ich die Frage, was das denn für ein schwacher Gott sein soll, wenn da dieser Jesus am Kreuz wirklich sterben musste. Aber Jesu Kreuzestod ist kein Zeichen von Ohnmacht, sondern ein klarer Liebesbeweis dieses allmächtigen Gottes, der sogar bereit ist, sich aus Liebe zu uns selbst zu begrenzen!

Datum: 15.07.2008
Autor: Andreas Boppart
Quelle: Jesus.ch

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