Jesus, warum so hart?
Im Tempelbezirk von Jerusalem herrscht Hochbetrieb. Die Verantwortlichen reiben sich die Hände. Seit König Herodes der Grosse die Plattform vergrössern und den Tempel samt Vorhöfen prachtvoll erneuern liess, kann ihm niemand die Bewunderung versagen. Jahrzehntelang wurde gebaut. Das Ergebnis macht vergessen, dass das Land der Juden von den Römern besetzt ist. Die Pilger strömen von nah und fern herbei; auch Nichtjuden besuchen die Tempelanlage, die im Nahen Osten ihresgleichen nicht hat.
Religiös und reich
Im weiten, von prächtigen Säulengängen gesäumten Vorhof, der Nichtjuden zugänglich ist, geht die Post ab (innere Höfe sind den jüdischen Frauen, den Männern und den Priestern vorbehalten). Die Geldwechsler nehmen Münzen jeglicher Prägung an. Die Pilger tauschen sie für den Schekel, die Tempelwährung, ein. Nebenan werden Opfertiere feilgeboten. Die Standplätze bringen der Tempelverwaltung hübsche Summen ein. Dass Judäa, vor 90 Jahren vom römischen Feldherrn Pompeius erobert, als Provinz ausgebeutet wird, schmerzt. Immerhin fördert die politische Stabilität den religiösen Tourismus; die reichen Familien in Jerusalem und Zulieferer profitieren davon.
Störefried
Das stille Einverständnis aller am Pilgerbusiness Beteiligten stört der Wanderprediger aus Galiläa namens Jesus, der seit einigen Jahren „die Herrschaft Gottes“ verkündigt. Nicht als nationalistischer Rebell – gegen die Römer stellt er sich nicht –, sondern im Sinn einer religiösen Erneuerung. Mehrfach ist er in den Festzeiten in Jerusalem aufgetaucht und hat die Pilgermenge mit seinen Predigten gefesselt. Doch worauf will er hinaus?
An diesem Tag wird es klar. Nachdem ihm bei seinem Erscheinen eine grosse Menschenmenge zugejubelt hat, hat er den Vorhof der Nichtjuden betreten. Offensichtlich erzürnt vom florierenden Handel mit Opfertieren und Münzen, stösst er die Tische der Geldwechsler um, öffnet die Taubenkäfige, kippt die Tische ihrer Anbieter und jagt die Händler fort. Ebenso die bestürzte Kundschaft. Als täten sie hier etwas empörend Ungebührliches.
Andacht und Freude in der „Räuberhöhle“
Die Tempelwächter können ihn nicht stoppen. Sie hören, wie er den schockierten und wütenden Händlern ein Wort des Propheten Jesaja an den Kopf wirft, eine Klage Gottes über den Tempel: „Mein Haus soll ein Bethaus heissen für alle Völker – ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!“
Eine halbe Stunde später – die Geldwechsler haben ihre Münzen zwischen den Steinplatten hervorgeklaubt und sich verzogen – herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Behinderte und Kranke scharen sich um Jesus, der sich beruhigt hat und das tut, worum er ständig gebeten wird: Leute zu heilen, zu lehren und zu segnen. Andächtiges Gemurmel ist zu hören statt klingender Münze und Geblök. (Die Opfertiere können in den umliegenden Gassen an den Pilger gebracht werden – nahe der Opferstätte wars praktischer.)
Wozu so dreinfahren?
Warum so hart, Jesus, so kompromisslos? Die Frage steht verwunderten einheimischen Zuschauern wie auch seinen galiläischen Anhängern im Gesicht. Und wozu? Er, der grosse Kommunikator, der Menschen überzeugen und für seine Sache gewinnen kann wie kein zweiter, macht sich doch bloss Feinde, wenn er so dreinfährt. Unheimlich, fast erschreckend ist sein Anspruch, den Tempel wieder seiner wahren Bestimmung zuzuführen. Darf er das? Es mag sein, dass das Treiben im Vorhof etwas überbordete – aber so dreinfahren: nein, das hätte Jesus nicht tun sollen, nicht tun müssen…
Er hat es getan. Jesus stellt damit religiöse Menschen seiner Zeit und aller Zeiten vor die Frage: Macht ihr ‚Religion’ zum Geschäft? Verdrängt Business (vielleicht sehr fromme Geschäftigkeit) die Anbetung, die Ehrung Gottes? Kirchen und christliche Werke brauchen Mittel. Verstellt ihre Beschaffung den Blick auf die Hauptsache? Der Tempel in Jerusalem sollte im Vorhof auch jenen eine Begegnung mit Gott ermöglichen, die nicht zu dem von Abraham abstammenden jüdischen Volk gehörten.
Glaube ist nicht berechnend
Fragen stellen sich auch dem einzelnen Gläubigen: Hat sich Profitdenken in mein Verhältnis zu Gott eingeschlichen, so dass ich mich berechnend verhalte, Aufwand und Ertrag zueinander in Beziehung setze? Verdränge ich mit frommer Betriebsamkeit das, was in meinem Leben nicht aufgeht, und vertusche Mängel und Brüche meiner Existenz, statt sie Jesus Christus hinzuhalten?
Die ganze Bibel ist durchzogen vom Wunsch Gottes, unter Menschen, die ihn ehren, zu wohnen und sie zu beglücken. Schöneres gibt es nicht. Jesus Christus gibt Zugang zu dieser Dimension des erfüllten Lebens – wenn wir zulassen, dass er uns dreinredet.
Mehr zum erfüllten Leben mit Jesus Christus: Die Jesus-Tour
Datum: 30.09.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch