Himmel

Leben in einer neuen Dimension

Ist es möglich, im Hier und Jetzt Kraft aus dem Himmel zu schöpfen? Der Theologe und Psychotherapeut (HPG) Wilfried Veeser im Gespräch.
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Jeder Mensch scheint nach Vollkommenheit zu suchen, nach dem himmlischen Leben ohne Leid und Angst. Gehört die Sehnsucht nach Paradies zum Menschen?


Veeser:
Ja, jeder Mensch will geliebt, von anderen geachtet, angenommen und respektiert werden. Der Mensch sucht sein Glück. Dies ist ein tiefes Grundbedürfnis. Und das andere gehört genauso dazu: Der Mensch rätselt über die Widersprüchlichkeiten seines Lebens. Vieles macht ihm Angst. Die Krankheit, die plötzlich über ihn hereinbricht, die Entscheidung des Partners, die er nicht nachvollziehen kann, der plötzliche Verlust der Arbeitstelle. Ich meine, dass diese Suche nach dem verlorenen Paradies wörtlich verstandenen werden kann, so als gebe es eine vage Ahnung, dass es in dieser Welt auch schon einmal ganz anders war.

Wir suchen nach dem "Himmel auf Erden" in perfekten Urlaubserfahrungen, in der Traumfrau oder dem Traummann, in möglichst langem und gesundem Leben, in makelloser Schönheit - stürzen uns diese hohen Ansprüche nicht oft erst recht ins Unglücklichsein?

Ganz sicher. Ich weiss von einem Chirurg, der sich auf Schönheitsoperationen spezialisiert hat. Er sagt seinen Kunden: "Ich verkaufe Ihnen kein Glück, Schönheit und ewige Jugend, sondern einen straffen Busen, weniger Pfunde und eine gerade Nase. Was Sie daraus machen, ist Ihr Part. Ich bin nur für mein Handwerk zuständig." Eine sehr ernüchternde Aussage. Tausende von Euros werden dafür bezahlt, um mit der Veränderung der eigenen körperlichen Erscheinung ein wenig "Himmel" zu erhaschen. Doch mit Geld lässt sich das nicht machen. Wer sich hoch hinaus wagt, kann sehr tief fallen. So mag die Hüfte von den überflüssigen Pfunden befreit sein, doch ob sich danach das Beziehungsglück mit dem Partner einstellt, bleibt völlig offen. Eine gelingende Beziehung hängt definitiv nicht an der Zahl der Pfunde, sondern an der Art und Weise, wie zwei Menschen ihr Miteinander gestalten und leben.

Manche Psychologen behaupten, dass es dem Menschen ganz gut tut, sein Leben etwas positiver zu sehen, als es ist. Brauchen wir die rosarote Brille, um uns zumindest phasenweise den Himmel auf Erden vorzugaukeln?

Vorgaukeln hilft sicherlich nicht. Aber das Leben positiv zu sehen, finde ich gar nicht schlecht. Es ist sogar gesünder, als wenn man alles trist und negativ deutet. Ich kenne einige Menschen, die mit Vorliebe pessimistische Sichtweisen pflegen, obwohl sie eigentlich die lebendige Hoffnung auf Gott kennen. Die Erkenntnisse der empirischen Psychologie sind handfest. Jeder Mensch sucht und braucht Lebenssinn. Und die meisten Menschen bekommen diese Sichtweise oberflächlich sogar ohne grosse Glaubensdimensionen hin.


Die Menschen versuchen in allen möglichen Religionen in den Himmel zu kommen. Warum gerade mit Jesus Christus?

Da gibt es für mich einen schlagenden Hinweis: Wer schafft Frieden zwischen Gott und den Menschen? Gott oder der Mensch? Vor Jahren, als junger Student, schickte mich mein Professor zusammen mit einem Kollegen in die Bibliothek. Dort sollten wir in sämtlichen Quellentexten aus der Antike bestimmte Worte wie "versöhnen, lösen, freikaufen" nachschlagen und studieren, in welchem Zusammenhang sie vorkommen. Ihn interessierte eben diese Frage: Gibt es ausser den Texten im Neuen Testament sonst noch Zeugnisse aus den Religionen der Antike, die davon berichten, dass nicht der Mensch Gott gnädig stimmt, sondern Gott selbst die Welt mit sich versöhnt. Doch da war völlige Fehlanzeige. Überall müssen die Menschen opfern, gut leben, fromm sein, an religiösen Kulten teilnehmen - nur so kommen sie in die Nähe Gottes und müssen froh sein, wenn dieser dann in ihrer Vorstellung gnädig ist. Nur die Bibel zeigt - und dies ist einzigartig bis zum heutigen Tag -, dass Gott den Menschen mit sich versöhnt. Er tut dies in Jesus Christus. Mit ihm kommt der Himmel in die Herzen der Menschen. Nicht die Menschen müssen sich hineinarbeiten in den Himmel. Das entlastet und befreit. Deshalb bin ich aus tiefer Überzeugung Christ.

Was tun Sie selbst, wenn Sie sich überhaupt nicht «himmlisch» fühlen?

Ich nehme für mich selber seelsorgerliche Gespräche in Anspruch. Oftmals knie ich, lege die Bibel vor mich hin, schlage in der Bibel Psalm 21 auf und finde betend in diesen Worten Trost: «Er wird deinen Fuss nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.» Ist das nicht klasse? Salopp gesagt: Gott schiebt Wache über mir und schläft dabei nicht ein. Mit voller Aufmerksamkeit begleitet er meinen Weg - auch das, was jetzt gerade für mich schwierig ist. Da entsteht für mich immer wieder ein Stück Himmel auf Erden. Gott sei Dank!

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Bearbeitung: David Sommerhalder

Datum: 02.04.2011
Autor: Rainer Schacke
Quelle: Neues Leben

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