Wenn Mittel den Zweck entheiligen
In der Umgangssprache heisst es: „Man muss die Menschen eben zu ihrem Glück zwingen" oder „Der Zweck heiligt die Mittel". Aber wie weit kann und darf ich tatsächlich gehen, um ein Ziel zu erreichen, das ich als gut und als richtig erkannt habe?
Eine alte Frage
Es ist eine Frage, die die Menschen schon lange beschäftigt, sei es in der Politik oder im alltäglichen menschlichen Miteinander. Wir können mit anderen geringschätzig umgehen, sie unter Druck setzen und von ihnen Opfer verlangen, und alles um eines vermeintlich guten Zieles willen.Aber das Ziel heiligt nicht die fragwürdigen Mittel, die wir einsetzen. Unsere guten Bemühungen dürfen nicht durch die Art und Weise beeinträchtigt werden, wie wir sie durchführen. „Es ist ja für eine gute Sache" - diese Ausrede gilt nicht.
Die Würde des Menschen
In der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz, heisst es, die Würde des Menschen sei unantastbar. Das heisst, dass wir das Leben, die Freiheit, die Individualität, den Willen und den Stand der Erkenntnis des anderen Menschen achten und uns nicht darüber hinwegsetzen, auch wenn unsere eigenen Ziele und Werte auch noch so gross und ehrbar sein mögen.„Ohne Liebe ist alles nichts"
Der Apostel Paulus schlägt in die gleiche Kerbe, wenn er davon spricht, das alles Denken und Tun von der Liebe geleitet sein muss. Er drückt es in seinem ersten Brief an die Christen in Korinth so aus:„Liebe ist geduldig und freundlich. Sie ist nicht verbissen, sie prahlt nicht und schaut nicht auf andere herab. Liebe verletzt nicht den Anstand und sucht nicht den eigenen Vorteil, sie lässt sich nicht reizen und ist nicht nachtragend. Sie freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Liebe ist immer bereit zu verzeihen, stets vertraut sie, sie verliert nie die Hoffnung und hält durch bis zum Ende"; 1. Korintherbrief 13,5-8.
Was für eine hohe Latte! Da stellt sich die Frage: Wollen wir uns um des hehren Zieles willen lieber darunter hindurchmogeln oder wollen wir Anlauf nehmen und darüberspringen?
Gewalt ist das falsche Mittel
Es ist äusserst fragwürdig, wenn physische oder psychische Gewalt eingesetzt wird, um das eigene Ziel zu erreichen. So ein Vorgehen muss besonders für Gläubige der verschiedensten Religionen tabu sein. Gewalt bis hin zu Terror und Krieg sind nie ein legitimes Mittel, um Überzeugungen auszubreiten und Gegner zu bekämpfen.Aber wir müssen gar nicht so weit gehen. Gewalt beginnt schon viel früher: in Form von Ausgrenzung, Diffamierung und Lüge. Auch sie sind nicht die richtigen „Mittel zum Zweck". Sie stellen das jeweilige Ziel nicht nur in Frage, sondern wirken zerstörerisch auf das Ziel zurück.
Gewalt, auch ohne Fäuste und Waffen
Gewalt gibt es auch in weniger handgreiflichen Formen, die genauso abzulehnen sind. Auch schon die Sprache kann sehr gewalttätig sein.- Menschen mit anderen Überzeugungen werden lächerlich gemacht.
- Andersdenkende betrachtet man als seine Feinde.
- Über Gegner wird stolz und herablassend geredet.
- Anhänger werden zu immer neuen Opfern aufgerufen.
- Fehlverhalten wird entschuldigt um eines vermeintlich grösseren Zieles willen.
- Überzeugungen, mit denen man selbst nicht einverstanden ist, werden bewusst verdreht oder falsch dargestellt.
- Die eigene Überzeugung und Vorgehensweise wird völlig mit dem grossen Ziel ineinsgesetzt; religiös gesprochen: mit dem Willen Gottes.
- Man hebt Führungspersonen auf ein moralisches Podest und macht sie unangreifbar.
Jesus verneigt sich vor den Gewaltlosen
Jesus hat in seiner Bergpredigt alle die gewürdigt, die sich für Frieden und Gewaltlosigkeit einsetzen. Er hat die auf den Sockel gehoben, die auf Gewalt verzichten, die unter Ungerechtigkeit leiden und sich nicht fragwürdiger Mittel bedienen.Er sagte. „Glücklich sind die Friedfertigen, denn sie werden die ganze Erde besitzen. Glücklich sind, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie sollen satt werden. Glücklich sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren. Glücklich sind, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott sehen. Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen"; Matthäus, Kapitel 5, Verse 5-9.
Datum: 05.02.2010
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet.ch