Religion im Einkaufszentrum Sihlcity

Im Bau: das neue Einkaufszentrum Sihlcity.

Die drei Stadtzürcher Landeskirchen richten auf Frühjahr 2007 im Einkaufszentrum Sihlcity einen Gebetsraum und ein Seelsorgeangebot ein. Mit diesem schweizweit ersten Angebot wollen die Kirchen Leuten näher kommen, die in der Hektik Ruhe suchen und Gespräche in der Anonymität suchen. Nicht alle glauben an dieses Bedürfnis im Einkaufsrummel.

Sommer 2007, Einkaufs- und Freizeitpark Sihlcity, es ist Feierabend. Nach einem harten Arbeitstag bahnt Frau Meier sich den Weg durch die Menge. Sie läuft an riesigen Einkaufshäusern mit hohen, futuristischen Fassaden im Backsteinmuster vorbei und schreitet unter dem Wellnessbereich durch, der sich wie eine Brücke über den Platz zieht. Nach ihrem Einkauf ist sie froh, das Gewühl bald hinter sich lassen zu können. Da fällt ihr Blick auf ein Signet: die "Shoppingcenter-Kirche". Frau Meier ist erbaut von dem Moment der Stille im Gebetsraum und dem anschliessenden Gespräch mit einem ihr unbekannten Seelsorger. Leichten Herzens geht sie nach Hause. Soweit die Vision der Initianten.

„Kirche am Weg“

"Wir möchten eine Kirche am Weg sein", sagt Hansruedi Kocher, Geschäftsführer des reformierten Stadtverbands Zürich. Das Seelsorgeangebot soll niederschwellig sein. "Zudem ist das Bedürfnis nach einem Gespräch mit einem unbekannten Seelsorger eine Zeiterscheinung", ergänzt das Mitglied der ökumenischen Projektgruppe. Diese hat – beflügelt vom Erfolg der Bahnhofkirche im Zürcher Hauptbahnhof – im Herbst 2005 begonnen, einen Raum der Stille im neuen Shoppingcenter Sihlcity zu planen. Er soll inmitten von 90 Läden und 13 Restaurants stehen.

Schnell bewilligt

Bereits haben alle drei Landeskirchen die Vorschläge abgesegnet: Jeweils über 300.000 Franken für die Baukosten sowie jährlich über 200.000 Franken an die Betriebs- und Personalkosten bezahlen die reformierte und die katholische Kirche der Stadt Zürich für das vorerst auf vier Jahr beschränkte Projekt. Die kleine christkatholische Gemeinde beteiligt sich anteilmässig mit jährlich rund 15.000 Franken. Seelsorger sind während der Öffnungszeiten für Gespräche bereit. Ihr Pensum beträgt zu Beginn des Projekts insgesamt etwa 200 Prozent. Freiwillige betreuen mit ihnen die Ruhe- und Ratsuchenden. Auf einer Fläche von rund 90 Quadratmetern werden ein interreligiöser Raum sowie ein Empfangsraum und Büros eingerichtet. Der Gebetsraum befindet sich am zentralen Platz im Kulturhaus des Einkaufszentrums.

„Unverbindliches Angebot“

Auf die Frage, ob dies der richtige Ort für eine Präsenz der sonst eher konsumkritischen Kirchen sei, mag Kocher nicht eingehen. "Wir dürfen nicht fern der Leute sein", findet er. Martin Müller, Pfarradministrator der benachbarten katholischen Kirche, räumt ein, dass mit diesem Projekt die Konsumhaltung nicht bekämpft werde. Trotzdem meint der Priester: "Lieber so als gar nicht". Er habe erlebt, dass viele Leute befürchten, von der Pfarrei zu schnell eingebunden zu werden. Vielleicht könne das unverbindliche Angebot den Ratsuchenden helfen, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen und dann auch einmal in ihrer eigenen Pfarrei vorbeizukommen.

Migros: Kein Ruheraum gewünscht

Martin Bornhauser, Kommunikationsleiter der Migros Bern, ist skeptisch. Zweimal bereits hatten die Berner Kirchen in den letzten Jahren beim Grossverteiler angeklopft, weil sie einen Gebetsraum in einem Shoppingzentrum platzieren wollten.

Beide Male teilte ihnen Bornhauser ein klares Nein mit. Ein Einkaufszentrum sei der falsche Ort für eine Kirche, findet er. "Wenn ich Ruhe und Besinnung benötige, gehe ich in die Natur oder in eine Kirche, aber sicher nicht ins Shoppingcenter", sagt Bornhauser und ergänzt, dass seit 20 Jahren kein Kunde je das Bedürfnis nach einem Raum der Stille im Einkaufskomplex geäussert habe. Den Versuch im Sihlcity werde er jedoch gespannt beobachten.

Datum: 03.08.2006
Quelle: Kipa

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