Amina Lawal wird nicht gesteinigt

Amina Lawal

Amina Lawal wird nicht gesteinigt. Dies hat ein Berufungsgericht im nordnigerianischen Katsina am Donnerstag entschieden. Die 32-jährige Frau hatte zwei Jahre nach ihrer Scheidung ein Kind geboren. Dafür wurde sie zum Tod durch Steinigung verurteilt. Der Fall – der erste seit der Einführung des islamischen Gesetzes, der Scharia, in Nordnigeria im Jahr 1999 – erregte weltweite Proteste.

Vier der fünf Berufungsrichter entschieden, das Verfahren sei einzustellen, da die erste Instanz bei ihrem Vorgehen Fehler begangen habe. Amina Lawal hätte erlaubt werden müssen, ihr anfängliches Geständnis zur Liaison, die zur Schwangerschaft führte, zu widerrufen. Sie sei aber nicht über die Anklagepunkte aufgeklärt worden. Zudem habe die Scharia-Polizei sie in unangebrachter Weise verhört und verhaftet.

Schliesslich griffen die Richter – der Reporter aus aller Welt wohl gewahr – gar auf die altislamische Lehre zurück, wonach ein Fötus bis zu fünf Jahren im Mutterleib wachsen kann. Somit sei es möglich, dass Amina Lawal möglicherweise noch während der Ehe schwanger geworden sei…

Dem von Lawal genannten Sexualpartner (sie sagte aus, er habe versprochen, sie zu heiraten) drohte ebenfalls die Steinigung. Er wies jede Verantwortung von sich und wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Um seine Schuld vor Gericht zu beweisen, hätten nach der Scharia vier Augenzeugen des Geschlechtsverkehrs aussagen müssen…

Einer von Amina Lawals Anwälten sprach nach dem Urteil von einem Sieg der Gerechtigkeit. „It's a victory for the law. It's a victory for freedom.” Laut der New York Times sind bisher insgesamt fünf Nigerianer zum Tod durch Steinigung verurteilt worden. Drei Urteile wurden aufgehoben.

Catherine Mabille von der französischen Organisation “Avocats Sans Frontieres”, die Lawals Verteidiger beraten hatten, erklärte, das Ringen habe erst recht begonnen. “Wir müssen uns wirklich mit der Scharia befassen und Argumente finden, damit wir gewinnen können.“

Die Scharia, welche von islamischen Gelehrten vor über 1000 Jahren aus Koranstellen abgeleitet wurde, bestimmt oder beeinflusst das Familienrecht vieler Länder in Afrika und Asien. Doch ihre Strafgesetzbestimmungen werden bloss in einzelnen Ländern (Saudi-Arabien, Iran und Afghanistan unter den Taliban) angewandt. In Nordnigeria wird der einfachere und raschere Vollzug der Scharia-Strafen gegenüber dem Recht, das die britischen Kolonialherren brachten, hervorgehoben.

Datum: 29.09.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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