Schulter an Schulter mit dem früheren Feind
Ein Jahr nachdem ich meinen Dienst bei der Armee quittiert hatte, wanderte ich in die USA aus. Denn ich sah keinen Ausweg mehr. Jeden Tag starben auf beiden Seiten viele Menschen. Die Führer bekämpften sich, und die Menschen, die einfachen Leute, mussten den Preis dafür zahlen. Ich war wütend und hoffnungslos. Ich war einfach nicht bereit, für so etwas zu sterben.
Ein paar Monate nach meiner Auswanderung wurde ich in eine christliche Gemeinde eingeladen. Ich ging hin und war völlig überrascht. Es war ganz anders, als ich es mir vom Fernsehen her ausgemalt hatte. Warmherzige Menschen, gute Livemusik und alles ein bisschen verrückt. Die Leute hielten die Arme hoch und riefen «Halleluja». Und sie liebten Israel und die Juden, das war für mich sehr wichtig.
Der Pastor sprach über den Hebräerbrief aus der Bibel und über die Juden, die diesen Gott nicht kennen würden, und dass die persönliche Beziehung zu Jesus entscheidend sei. Das machte mich wütend, denn damit richtete er sich gegen meine Leute. Mein Freund Yuwal zum Beispiel, der bei dem Attentat starb, war orthodox. Ich hatte probiert, ihm Frauen anzudrehen. Er weigerte sich. Ich hatte versucht, ihm Schinken- und Käse-Sandwichs schmackhaft zu machen. Auch da weigerte er sich. Jeden Tag betete er. Und Yuwal sollte Gott nicht gekannt haben?
Ich sprach den Pastor darauf an. Er fragte: «Hast du die Schrift – das Alte Testament – gelesen?» Ja, hatte ich, als ich noch ganz jung war. Er fragte, ob ich auch das Neue Testament gelesen hätte. Ich verneinte. Er sagte, ich solle nach Hause gehen, es lesen und wiederkommen.
Daheim stiess ich auf das Buch «Warum ich?», geschrieben von einem gläubigen Israeli. Ein früherer Zimmerkamerad hatte es im Bücherregal stehen gelassen. Es war seine Lebensgeschichte. Es hatte darin Stellen aus der Schrift – ich sage «Schrift» und nicht «das Alte Testament», weil es für mich nicht alt ist – und dem Neuen Testament zusammengestellt.
Als ich es gelesen hatte, konnte ich nichts mehr dagegen sagen, und bat Jesus Christus, in mein Herz zu kommen. Dann sagte ich zu Gott: «Für mich als einen Juden ist es schwierig, meiner Familie und den Freunden zu sagen, dass ich jetzt an Jesus glaube. Darum will ich genau wissen, dass es dich wirklich gibt.»
Auf einer Konferenz hat er mir das dann auf wunderbare Weise gezeigt. Juden und Araber, die an Jesus glauben, waren dort zusammenkommen. Es brauchte sehr viel, bis ich zu dieser Konferenz ging. Ich erwartete nur eine Show mit lauter aufgesetztem Lächeln.
Sie fragten mich, ob ich meine Lebensgeschichte erzählen würde. Ich tat es. Und als ich damit fertig war, kam Taysir zu mir und sagte: «Hallo, mein Name ist Taysir Abu Saada. Ich war früher Fatah-Kämpfer.» Ich war geschockt. Vor mir stand einer, der am Tod meiner Freunde hätte schuld sein können. Ein Feind direkt vor mir.
Er schaute mir in die Augen und sagte, dass er mich liebt. Ich blieb geschockt. In diesem Moment hiess es, man solle jetzt in Vierer- und Fünfergruppen gehen und zusammen beten. Und auf einmal fand ich mich Schulter an Schulter mit einem ehemaligen Feind, zwei Jordaniern und einem anderen Israeli wieder, und wir beteten zum gleichen Gott. Wir schrien zu ihm für unsere Leute.
Taysir war der andere, der an der Konferenz seine Lebensgeschichte erzählte. Als er fertig war, rief er mich auf die Bühne. Er bat mich im Namen der palästinensischen Bevölkerung um Vergebung für die Ermordung meiner Freunde. – Noch ein Schock! Aber auch ich selber bat um Vergebung, und zwar für meinen Hass. Und Gott hat mich da tatsächlich von meiner ganzen Wut befreit. Er hat sie einfach weggenommen und Liebe hineingepflanzt.
Das hat mich so sehr verändert, dass ich heute jeden Christen dazu aufrufe, dass er für seine Feinde betet und sie liebt. Er soll für ihre Befreiung beten und dass sie von der Finsternis ins Licht kommen und Jesus kennenlernen.
Taysir ist dafür ein lebendiger Beweis. Er kommt von der anderen Seite, und jetzt ist er auf der Seite Gottes. Aber auch ich selber bin dafür ein lebendiger Beweis. Heute glaube ich an Gott; früher nicht. Jetzt weiss ich, dass es ihn gibt. Er beweist mir das jeden Tag.
Und wir beide haben sogar zueinander gefunden. Daran können die Leute wirklich sehen, dass Gott lebt und dass er tatsächlich Frieden bringt zwischen uns, wie er es verheissen hat. Der Friede von Jesus, das bedeutet Frieden zwischen uns und Gott und auch Frieden zwischen uns Menschen.
Lesen Sie auch unter:
Teil 1: «Nur ein toter Araber ist ein guter Araber!»
Teil 2: «Sieben meiner Freunde wurden ermordet!»
Teil 3: Wir sprechen von nur noch einem Blut
Teil 5: Ein PLO-Scharfschütze wird Gottes Visitenkarte
Teil 6: «Liebet eure Feinde»
Moran Rosenblit im Internet: www.hope4israel.org
Taysir Abu Saada im Internet: www.hopeforishmael.org
Ansprechpartner der beiden in der Schweiz ist die Hilfsaktion Märtyrerkirche: www.hmk-aem.ch
Datum: 15.05.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch