Dürfen Kirchenleute Parteien an den Karren fahren?

Karren
Pascal Couchpin
Peter Henrici

Der Churer Weihbischof Peter Henrici hat seine Interviewaussage bekräftigt, "ein guter Christ" könne die SVP wegen ihrer fremdenfeindlichen Ausländerpolitik nicht wählen. Nun wird (wieder einmal) heftig darüber diskutiert, wie pointiert sich Landeskirchenvertreter politisch äussern dürfen.

An einer FDP-Fachtagung am Samstag in Bern meinte Bundesrat Pascal Couchepin, als Christ habe Henrici "eine gute Frage" gestellt. Er schätze es zwar nicht, wenn sich die Bischöfe in Abstimmungen einmischten. Wenn man aber an manche Abstimmungsplakate insbesondere der SVP im Kanton Zürich zur Asyl- und Ausländerpolitik denke, so müsse man sich schon die Frage stellen: "Ist es christlich, eine Politik zu betreiben, die Ängste und Vorurteile gegenüber anderen fördert?"

‚Absolute Fremdenfeindlichkeit’

Nach scharfen Protesten von SVP-Seite hatte Henrici bekräftigt: "Die Flüchtlings-, Asyl- und Ausländerpolitik der SVP ist geprägt von einer absoluten Fremdenfeindlichkeit, was zutiefst unchristlich ist." Die SVP hatte die Schweizer Bischofskonferenz vor Wochenfrist zu einer Erklärung über Henricis Aussagen aufgefordert.

Ueli Maurer: Kirche und Staat trennen!

SVP-Präsident Ueli Maurer reagierte gemäss „SonntagsBlick“ empört auch auf Couchepins Kommentar: "Was fällt ihm ein, unsere Wähler derart zu beleidigen? Er muss sich wirklich fragen, ob er noch am richtigen Ort ist." Maurer kündigte zum Vorfall eine parlamentarische Anfrage an. Es sei nun jedoch "höchste Zeit", Kirche und Staat zu trennen, "damit so genannt 'schlechte Christen' keine Kirchensteuern mehr zahlen müssen".

SEK-Wipf kritisiert Henrici

An der FDP-Tagung nahm auch Thomas Wipf, Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), teil. In der Sache stimme er zwar der Kritik an der Asylpolitik der SVP zu, sagte er. Henricis Aussage sei indessen "äusserst unglücklich" und zeuge von einem "seltsamen Demokratieverständnis". Er komme aus einer Kirche, "die noch wenig Erfahrung mit Demokratie hat."

Auch FDP macht Religion wieder zum Thema

Couchepin hatte vor seinen Parteifreunden grundsätzlich über Religion im Staat referiert. Die Fachtagung suchte zu ergründen ob und wie die „Rückkehr des Religiösen“ die liberale Gesellschaft herausfordert. Faktoren des religiösen Wandel in der Schweiz sind die Erosion der grossen Kirchen, die Zunahme der Konfessionslosen, die Stärkung kleiner Gemeinschaften und eine grössere Präsenz des Islams infolge Einwanderung.

Rechtsordnung – durch Wertediskussion zu begründen

Der freisinnige Bundesrat bezeichnete den laizistischen Staat, der nicht an Religionsgemeinschaften gebunden ist, sich nicht in ihre Belange einmischt, aber für eine Vielfalt religiöser Äusserungen offen ist, als Errungenschaft. Doch ein „formaler Verfassungspatriotismus“ genügt laut dem Innenminister nicht, um der Legalität des Staats Legitimität zu verleihen.

Die Rechtsordnung bedürfe „einer externen Quelle für ihre inhaltliche Grundlage. Diese lasse sich angesichts der geistigen Pluralität nur im Dialog entwickeln, wofür der Staat wiederum den Rahmen zu schaffen habe“ (NZZ). Der christlichen Prägung der Schweiz solle der Schulunterricht entsprechen.

Was wollen die Muslime?

Nüchtern kommentierte der Innenminister die Diskussion um die Vertretung der Muslime gegenüber dem Staat (Dachverbände) und die staatliche Imam-Ausbildung. Würde sie ermöglicht, befürchtet er als Folge, dass die Muslime vermehrt ihre religiöse Identität statt andere Zugehörigkeiten wahrnehmen.

Angesichts der steigenden Zahl der Muslime in der Schweiz empfahl Couchepin Gelassenheit. Hart müsse der Staat gegen Prediger vorgehen, welche gegen die öffentliche Ordnung agitierten.

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Mehr zur Polemik um Henrici:
Ist die SVP für "gute Christen nicht wählbar"?

Quelle: Livenet/NZZ/Kipa

Datum: 24.05.2005
Autor: Peter Schmid

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