Migros Magazin: Aktuelle Perspektiven von Glauben oder Unglauben
Die Auswahl der Personen und Themen wirkt zufällig, auch wenn sie es vielleicht gar nicht ist. Das Magazin der Mischwarenladenkette, offiziell eine Genossenschaft von uns allen, will die bunte Mischung von religiösen und antireligiösen Überzeugungen unterhaltend vorführen. Jeder darf sich in Sachen Glauben den Einkaufskorb selbst zusammenstellen. Vielleicht hat er es schon längst mit Pseudoreligion versucht und ernährt oder pflegt sich mit «religiösem Eifer». Oder mit Körperkult, individueller Spiritualität oder Umweltaktivismus. Doch beginnen wir bei den Ernsthaften.
Der ungläubige Pilger und die Rückkehrerin
Dem religiösen Individualismus sind keine Grenzen gesetzt. Der Social und Digital Media Manager Sandro Bucher ist überzeugt: «Wer die Bibel liest, wird Atheist». Der Glaube ist für ihn irrational, auch wenn er auf dem Jakobsweg gepilgert ist und dort den Segen von Martin Werlen empfangen hat.
Evelyne Baumberger hat sich von der Chrischona entfernt und neu zum Glauben gefunden, zwischendurch zum ERF und aktuell ins Theologiestudium. Als aufgeschlossene Christin kann sie sagen: «Ich bin für die Ehe für alle und wünsche mir die Gleichberechtigung der Geschlechter.» Sie ist überzeugt, dass die meisten Menschen «die Suche nach Spiritualität und Gott in sich tragen». Solche Menschen möchte sie begleiten.
Monika Stocker, Kurt Koch und Franziska Driessen
Monika Stocker, ehemalige Zürcher Stadträtin, ist aus Ärger über den Papst aus der katholischen Kirche ausgetreten, betont aber: «Ich bin immer noch Christin». Kardinal Kurt Koch ist dagegen ganz Katholik und überzeugt: «Die christliche Perspektive ist weiter relevant.» Für die Lösung der aktuellen Missbrauchskrise hat er ein Dreipunkteprogramm parat. Franziska Driessen, Synodalratspräsidentin der katholischen Kirchliche im Kanton Zürich, lebt aber in einer andern Welt. Sie fordert eine Veränderung der «Machtverhältnisse im System», ein neues Verständnis des Liebesgebots, und sie schätzt die «Gemeinschaft in unserer Pfarrei».
Der Kirchenpräsident und der Freidenker
Der Zürcher Kirchenratspräsident Michel Müller rät der katholischen Kirche: «Nehmt es lockerer.» Als Vater eines schwulen Sohns ist er froh, dass die Reformierten in dieser Frage anders ticken. Er hofft, dass der Trend, unabhängig von einer Institution zu glauben, wieder dem Bedürfnis nach Gemeinschaft weicht. Demgegenüber findet Freidenker-Präsident Andreas Kyriacou den Trend zur Konfessionslosigkeit eine «sehr erfreuliche Entwicklung».
Der Religionssoziologe: Kein Wertezerfall
Arnd Bünker ist Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts St. Gallen. Dass die «schwindende Religiosität» den Werten zusetzt, glaubt er nicht. Diese würden ohnehin viel stärker aus dem persönlichen Umfeld sowie von Medien und Parteien geprägt. Er bemerkt, dass die Menschenrechte auf dem christlichen Menschenbild basieren, zum Teil aber gegen die Kirche durchgesetzt worden seien.
Ratschläge für Eltern, die selbst nicht gläubig sind
Es überrascht nicht, dass das Migros Magazin schliesslich einem Theologen und Pro Juventute-Berater Fragen stellt, wie ungläubige Eltern die Fragen ihrer Kinder beantworten sollen. Zum Beispiel, was der Osterhase mit der Auferstehung zu tun habe. Richtig schwierig werde es erst, wenn der Hamster stirbt, meint Stefan von Wartburg.
Sprungbrett ins Glaubensgespräch
Falsch wäre es aus christlicher Perspektive, den spirituellen Warenkorb im Migros Magazin lediglich mies zu machen. Er eignet sich hervorragend als Aufhänger zum Gespräch darüber, was an Ostern wirklich geschah.
Zum Thema:
Christliche Wurzeln: Toleranz – und viel mehr
Glauben auf den Punkt gebracht: Auf Heimatsuche in der Bibel
«geistlich.emotional.reifen.»: Vom Positiven des Zeitgeistes und den leisen Weltveränderern
Datum: 09.04.2019
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet