Nach Wortentgleisung

Basler Pfarrer des Mordaufrufs bezichtigt

In einem Facebook-Post verglich er die US-Regierung mit dem Nazi-Regime und rief indirekt zum Mord an US-Präsident Donald Trump auf. Der Shitstorm, der sich darauf über Martin Dürr (61) ergoss, nahm auch die Kirche und die Christenheit in Sippenhaft. Inzwischen hat sich Dürr entschuldigt.
Martin Dürr (Bild: Facebook)
Donald Trump

Martin Dürr ist ein tüchtiger Geistlicher: Als Seelsorger wirkte er in einem Paraplegiker-Zentrum und in Untersuchungsgefängnissen. Er war reformierter Pfarrer in einem Arbeiterquartier und Care-Team-Experte bei «Crossair» und der «Swiss». Es folgten Predigten bei Radio SRF sowie Live-Gottesdienste im Schweizer Fernsehen, darunter der Abschluss-Gottesdienst zur Euro 2008. Heute amtet Dürr im Basler Pfarramt für Industrie und Wirtschaft.

Der Shitstorm, der sich nun über ihn ergiesst, blendet dies alles aus und reduziert ihn auf eine Wortentgleisung in einem mittlerweile gelöschten Facebook-Post.

Nazi-Vergleich und Mordaufruf

Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Stein des Anstosses: In einem ausführlichen Facebook-Post drückt Martin Dürr zunächst seine Bewunderung für den deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer aus.

Dann verortet er Fehler im Corona-Umgang von US-Präsident Donald Trump und lässt die Sätze folgen, die pures Gold für den Boulevard sind: «Wann ist der Moment gekommen, einen faschistischen Diktator umzubringen?» Anschliessend folgt dreimal ein «Was braucht es noch?» – Aufruf zum Mord gehört nicht gerade zu den klassischen Kernaufgaben eines Pfarrers.

Weiter stellt er einen direkten Vergleich her mit dem Naziregime von Adolf Hitler und den Trump-Wählern.

«Holocaust relativiert»

Die «Basler Zeitung» enerviert sich: «Wer Trump mit Hitler vergleicht und die Millionen von Trump-Wählern den Nazis gleichstellt, der relativiert den Holocaust.» Und weiter: «Dies ist ein Verbrechen ohne Vergleich in der Weltgeschichte, die industrielle Vernichtung der Menschen.»

Der Shitstorm folgte im Handumdrehen unter besagtem Facebook-Post. Umgehend wurde die Kirche in Sippenhaft genommen.

Shitstormer treffen Ziel nicht

Viele der Shitstormer schrieben, dass sie froh seien, «aus diesem Verein» ausgetreten zu sein und stellten gleich noch den Bezug zu den bekanntgewordenen Kindsmissbräuchen her.

Wohl den wenigsten ist bewusst, dass namentlich Christen verschiedenster Konfessionen an vorderster Front im Kampf gegen den Menschenhandel mit dabei sind. Oder dass es sowohl in Grossbritannien wie auch in den USA namentlich christliche Leiter bei der Abschaffung der Sklaverei tonangebende Initianten waren.

Warum USA und nicht China?

Inzwischen hat sich Martin Dürr entschuldigt, gegenüber «Blick» sagte er, dass er den Facebook-Post so nicht mehr schreiben würde und er distanzierte sich vom Vergleich mit dem Nazi-Regime.

Sicherlich hätte es noch ein wurzelnäheres Corona-Ziel gegeben, als Donald Trump: Inzwischen ist bekannt, dass China – wie die «Daily Mail» berichtet – sämtliche kritischen Whistleblower verhaftet hatte, manche wurden nie mehr gesehen. Auch wenn dies erst nach Dürrs Post öffentlich wurde, war bereits zu diesem Zeitpunkt längst Usus, dass ein etwas liebevollerer Umgang Chinas mit der Wahrheit weltweit weniger Infektionsstränge hervorgebracht hätte …

Gute Fragen aufgeworfen

Die Frage nach Macht und Machtmenschen an der Spitze – teils auch von Demokratien – ist durchaus gerechtfertigt und öffentlich zu adressieren. Ein Donald Trump darf ebenso adressiert werden, wie ein Vladimir Putin oder ein Narendra Modi. Oder die verschiedensten Regierungen in Südamerika, die im Zuge einer nie enden wollenden «Revolution» ihre Völker in Armut halten.

Oder beispielsweise Saudi-Arabiens Regierung, die seit mehreren Jahren Zivilisten im Jemen bombardiert. Oder Chinas Xi Jinping, der selbst während der Coronakrise gegen Christen vorgeht. Oder Nordkorea, das heute nachweislich Konzentrationslager hat – sie sind sogar via Google-Map zu sehen.

Für Regierungen beten?

Die Bibel ruft zu mehreren Verhaltensweisen auf, die durchaus synchron verlaufen dürfen. Da ist einmal der Aufruf, die Stimme für jene zu erheben, die selbst keine Stimme haben und denen Unrecht widerfährt – da darf ein Diktator oder Machtmensch durchaus mal etwas über sich lesen.

Gleichzeitig ruft das Buch der Bücher dazu auf, für die Obrigkeiten zu beten. Dies sollte Hand in Hand mit dem Erheben der Stimme gehen.

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Datum: 22.04.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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