Neue äthiopische Ausschreitungen, doch Freikirchen erstarken
«Meserete Kristos» sogar das grösste Glied ihrer Weltkonferenz. Ein Blitzlicht auf diese Tatsache warf 2018 in Addis Abeba die Bestellung von Ministerpräsident Abiy Ahmed. Er gehört der Pfingstkirche Full Gosp-Mulu Wengel an, den «Gläubigen des vollen Evangeliums». 2019 erhielt Abiy Ahmed den Friedensnobelpreis für seine Versöhnung zwischen Eritrea und Äthiopien (Livenet berichtete). In diesem ist sein Verständigungswerk zwischen den verschiedenen, seit alters her verfeindeten Religionen aber noch unvollendet: Äthiopisch-Orthodoxe und Evangelische, Muslime und Christen, Amharen, Oromos und Somalis stehen sich auch nach der teilweisen Demokratisierung von 1991 noch immer distanziert, wenn nicht gar feindselig gegenüber. Ende Juni hat das die Ermordung des Oromo-Sängers und Aktivisten Hachalu Hundessa gezeigt.
Versöhnlicher Liedermacher auf Abschussliste
Der 35jährige Musiker aus Ambo nahe der Hauptstadt wurde als kritische Stimme des Landes gefeiert. Viele Missstände, die offiziell unter den Tisch gekehrt wurden, sprach er in seinen Songs an. Einer der bekanntesten, aber auch besonders angefeindeten war das Lied «Muslims and Christians». Es rief zu friedlichem Zusammenleben auf. Damit geriet Hachalu, selbst orthodoxer Christ, aber auch ins Visier islamischer Extremisten. Die Oromo-Befreiungsfront hatte ihn genauso wie die Tigray-Nationalisten auf ihre Abschussliste gesetzt. Unter wessen Schüssen der Friedenssänger am 29. Juni zusammenbrach, konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Äthiopien war schon immer ein Boden blutiger Auseinandersetzungen von Halbmond und Kreuz, zwischen afrikanischer Eigenständigkeit und Kolonialismus, einem Heer höriger Leibeigener, der «Gäber», und feudaler Landherren. Das bekam schon 1652 der erste evangelische Missionar, Peter Heyling, zu spüren, der auf Befehl eines muslimischen Paschas enthauptet wurde. Auf diesen Lutheraner führt sich heute die «Mekane Yesus» Kirche zurück.
Nach der Taufe die Pockenimpfung
Die Verkündigung Jesu fand vor allem bei den heute etwa 25 Millionen Oromos fruchtbaren Boden. Ihre traditionelle Religion hatte monotheistische Züge. Sonst berichten erste Glaubensboten, die Peter Heyling im 19. Jahrhundert nachfolgten, von ehelicher Treue, aber vorehelichem Verkehr mit Ziegen und Schafen, sowie Alkoholismus mit Honigwein und einem aus Buttermilch gegorenen Schnaps. Seuchen grassierten, so dass am Blauen Nil nach der Taufe meist gegen Pocken geimpft wurde.
Ein wahrer Apostel der Oromos wurde Onesimos Nesib (1856-1931), den Sklavenhändler nach dem eritreischen Massauwa am Roten Meer verschleppt hatten. Dort kaufte ihn der Schweizer Afrikaforscher Johann Munzinger aus Olten frei und vertraute ihn der Schwedischen Evangelikalen Mission in der Hafenstadt an. Der fromme und begabte Junge kam nach Schweden zur theologischen Ausbildung und machte sich an sein Lebenswerk: Die Übersetzung der gesamten Bibel ins Gallinja, wie die Oromosprache damals noch genannt wurde.
Schon zehn Millionen evangelikale Christen
Heute sind Äthiopiens Evangelische so stark freikirchlich geprägt, dass der Name «Pentay» (Pfingstler) für alle Protestanten üblich geworden ist. Diese dürften heute 20 Millionen stark sein, also ein Fünftel der äthiopischen Gesamtbevölkerung ausmachen. Etwa die Hälfte von ihnen gehören zur Mekane Yesus Kirche. An zweiter Stelle kommt mit sieben Millionen Anhängern «Kale Heywet» (Worte des Lebens), die den Baptisten nahe steht und aus der Verkündigung von Mennoniten und der Sudan Interior Mission hervorgegangen ist.
Gewalt und Hilfe in Oromia
Nach letzten Berichten haben sich zur Julimitte die Unruhen, welche mit vielen Toten die Ermordung und das Begräbnis von Hachalu Hundessa begleiteten, in seiner Heimatregion Oromia fortgesetzt. Nach Meldungen der äthiopischen Nachrichten-Agentur Burkena steckten Islamisten in Kokosa eine Kirche und mehrere Schulen in Brand, ermordeten 19 Christen, Orthodoxe und «Penthays». In der Stadt sind die Kindernothilfe Schweiz und ihre deutsch-österreichischen Partnerorganisationen im Einsatz.
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Datum: 16.07.2020
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet