Bei zwei Bombenanschlägen auf Diskotheken am 12. Oktober auf Bali sind etwa 190 Menschen, vor allem Touristen aus westlichen Ländern, ums Leben gekommen. Als Attentäter werden Mitglieder der militant-islamischen Gruppe Jemaah Islamiyah vermutet, der Verbindungen zu Osama bin Ladens Terrornetz Al Kaida nachgesagt werden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (Göttingen) hat der indonesischen Regierung vorgeworfen, islamische Extremisten geschützt und Warnungen vor drohenden Terrorüberfällen ignoriert zu haben. Sicherheitskräfte kooperierten zum Teil mit den Extremisten. So terrorisierten radikale muslimische Gruppen mit Unterstützung der Armee die Bevölkerung in Westpapua und auf den Molukken. Indonesien, 5.000 Kilometer lange Inselbrücke zwischen ostasiatischem Festland und Australien, bietet eine religiös wie ethnisch schillernde Landschaft. Mit mehr als 180 Millionen Muslimen bevölkerungsreichstes Land des Islam, gibt es doch auch christliche "Inseln" in dem 13.600-Insel-Staat. Rund zehn Prozent der Bevölkerung, vor allem im Osten Indonesiens, bekennen sich zum Christentum. In Teilen Sumatras missionierten niederländische Protestanten. Im Osten des Landes, vor allem in Teilen Sulawesis, auf den Molukken, auf Westtimor sowie dem unabhängig gewordenen Osttimor überwiegt der Katholizismus. Das Zusammenleben der Religionen ist in den meisten Regionen von Toleranz geprägt. Seit knapp drei Jahren machen jedoch vor allem vordergründig religiöse Konflikte zwischen Muslimen und Christen auf Sulawesi und auf den Molukken Schlagzeilen. Auf Flores oder Java gab es bislang nur kleinere Zusammenstösse. Und auf Bali, dem Urlauberparadies, musste sich die katholische Kirche bislang nur über die negativen Folgen des Tourismus wie Umweltzerstörung, Drogengenuss, Alkoholismus oder sexuelle Freizügigkeit Sorgen machen. Der islamischen Fundamentalisten zugeschriebene Anschlag in der Urlauberhochburg Kuta vom Wochenende hat alles verändert, das Paradies in eine Hölle verwandelt. Wieder einmal beherrscht der Terror die Titelseiten der Weltpresse. "Der Islam Indonesiens" - schon eine solche Formulierung würde der Vielfalt der islamischen Gruppierungen und Strömungen kaum gerecht. Im 14. Jahrhundert - also eigentlich nach der "Sturm-und-Drang-Zeit" des Islam - durch Kaufleute eingeführt, wurde die Religion des Propheten Mohammed in stark lokal geprägter Form allmählich zum vorherrschenden Glauben der Inselregion: Daher sind in unterschiedlicher regionaler Ausprägung auch hindubuddhistischer Synkretismus sowie animistische Einflüsse zu beobachten. Fest steht, dass der ostasiatisch geprägte Islam Indonesiens nur wenige der Merkmale besitzt, die der Westen am Islam arabischer Prägung beargwöhnt. Im Gegenteil: Zunehmend diskutieren muslimische Intellektuelle des Landes die Frage, inwiefern Indonesien eine "Arabisierung" der Religion drohe. Anlass zu solchen Diskussionen bietet nicht nur das Szenario eines vermeintlichen "Weltkriegs zwischen den Religionen" seit dem 11. September. Auch im Land selbst sind auswärtig gesteuerte islamistische Extremisten, etwa die Gruppierung "Laskhar Dschihad", aktiv. Sie bilden eine kleine, aber lautstarke und gewaltbereite Minderheit. Ihre Überzeugung, in naher Zukunft eine führende politische Rolle übernehmen zu können, ist zwar nach übereinstimmender Meinung von Beobachtern eine Illusion. Noch Anfang November 2001 lehnte der einflussreiche Verfassungsrat mit überwältigender Mehrheit einen Antrag der Islamisten ab, das Islamrecht Scharia in die "Pancasila", die offizielle religionsübergreifende Staatsphilosophie Indonesiens, aufzunehmen. Dennoch: Nicht nur Kirchenvertreter äussern die Sorge, dass die Frustration über die anhaltende Wirtschaftskrise und die durch mehrere Regierungen fortdauernde Korruption Teile der verarmten muslimischen Bevölkerung in die Arme der Islamisten treiben könnten. Auf der Suche nach Orientierung könnte ihnen neben ihrer ethnischen Zugehörigkeit vor allem das vermeintlich klare Weltbild des Islamismus arabischer Prägung Halt geben, so die Befürchtung. Die lokalen Gewaltausbrüche auf Sulawesi sowie auf den Molukken sind jedenfalls Belege dafür, wie religiöse Gefühle für wirtschaftliche, soziale und politische Interessen instrumentalisiert werden können. Die Religion überhöht gleichsam die niederen Motive und Auslöser von Zusammenstössen, und sie kann dazu benutzt werden, Unbeteiligte hineinzuziehen und lokale Brandherde zu Flächenbränden auszudehnen. Der Anschlag auf Bali hat jedoch auch für den krisengeschüttelten Vielvölkerstaat eine neue und bisher nicht gekannte Qualität. Quellen idea.de/KipaReligiös und ethnisch schillernde Landschaft
Islam durch Kaufleute eingeführt
Von auswärts gesteuerte Elemente
Frustration
Datum: 16.10.2002