Die Aufregung um das angeblich erste Klon-Baby ‚Eve', die die Raël-Sekte in den Tagen nach Weihnachten verursachte, hat sich noch nicht gelegt. Doch gibt es weiterhin Ethiker, die die verheissungsvollen Perspektiven des so genannte therapeutische Klonen von Organen oder Zellen betonen. Der Zürcher Ethik-Professer Peter Schaber sagt im Gespräch mit dem Tages-Anzeiger, man dürfe "den möglichen Heilungseffekt beim therapeutischen Klonen nicht unterschlagen". Laut Schaber ist es "ein grosser Unterschied, ob ich ein Orgen klone oder einen ganzen Menschen". Der Ethiker sieht keinen Automatismus zum Klonen von Menschen hin, falls das Klonen von Organen erlaubt werden sollte. Daher kann er sich vorstellen, "dass man therapeutisches Klonen zulässt und reproduktives strikt verbietet". In der Schweiz könnte sich die Aufregung um ‚Eve'auf die Behandlung des Embryonenforschungsgesetzes durch die Eidgenössischen Räte auswirken. Um einer Ablehnung dieses forschungsfreundlichen Gesetzes zu wehren (es will den Verbrauch ‚überzähliger' Embryonen in der Stammzellen-Forschung erlauben), hat der führende Mediziner Werner Stauffacher für die Neue Zürcher Zeitung zur Feder gegriffen. Stauffacher, früher Chefarzt Medizin am Basler Universitätsspital, präsidiert die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW). In der Schweiz ist das reproduktive Klonen (wie auch das therapeutische) gemäss Bundesverfassung (Art. 119) verboten. Laut Stauffacher billigt und unterstützt "die überwältigende Mehrheit der Schweizer Forscher" dieses Verbot, das im Unterschied zu den USA auch private Unternehmen betrifft. "Man darf deshalb darauf vertrauen, dass in der Schweiz kein Mensch verbotenerweise geklont werden wird." Denn - so will Stauffacher die Gemüter beruhigen - die Wissenschaft verfüge zwar über die nötige Technologie und das Know-How, aber trotz dem Anschein, den "spirituell motivierte Exzesse einzelner ‚Wissenschafter'" erweckten, brauche die Wissenschaft das reproduktive Klonen gar nicht: Es gebe keine medizinische Indikation dafür, auch nicht in der Fortpflanzungsmedizin, "und es gibt auch keinen Druck, damit Krankheiten zu heilen oder Leben zu retten". Das Klonen eines Menschen, ob nun bereits geschehen oder nicht, werde "zu Recht als Untat angesehen", schreibt der Mediziner. Aus seiner Optik handelt es sich dabei zwar nicht um ein Verbrechen der Wissenschaft an der Menschheit (von der Schöpfung Gottes ist nicht die Rede), aber eines der Beteiligten an dem so erzeugten Kind. Dieses müsste wegen des gealterten Erbmaterials mit schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen und Leiden rechnen. Eine biologische Bedrohung für die Menschheit stelle die Technik nicht dar. Doch für die Gesellschaft wäre das Klonen eines Menschen, sollte es zur Geburt führen, laut Stauffacher gleichwohl "ein nicht zu unterschätzender Paradigmenwechsel, ein Quantensprung in einen neuen Zeitabschnitt, der an ihre Grundfesten rühren würde". Der führende Mediziner nimmt die Öffentlichkeit in die Pflicht: Der Umgang mit der Frage des Klonens sei der Gesellschaft aufgegeben, schreibt er; er hange von ihrer Entwicklung und ihren ethisch-moralischen Wertvorstellungen ab. Indes sollten die Ängste, welche die Ankündigungen der Raël-Sekte hervorgerufen haben, nicht zu einem Verbot der Forschung an menschlichen Embryonen und an embryonalen Stammzellen in der Schweiz führen. Diese Forschung erlauben bzw. regeln will ein neues Bundesgesetzes (Embryonenforschungsgesetz, EFG), das zur Parlamentsdebatte ansteht. Die erwähnten "verheissungsvollen Forschungszweige" (in denen Embryonen, also Menschen im ersten Stadium ihrer Entwicklung, als Material herhalten müssen) dürften nicht verboten werden, schreibt Stauffacher und sagt praktisch im gleichen Atemzug, solche weiter gehenden Verbote würden bloss die ernsthafte, "an ethischen Grundsätzen und bestehenden Gesetzen ausgerichtete Forschung hindern", und sie würden ohnehin "nur von den verantwortungsvollen Forschern respektiert"! Dem Leser stellt sich die Frage: Kann denn die Gesellschaft, kann der Gesetzgeber der gesamten Forschergemeinschaft überhaupt noch Grenzen setzen? Oder tun irgendwelche Forscher sowieso, was ihnen beliebt, wozu Experimentierlust, Ruhmsucht und der Drang nach dem grossen Geld sie treiben? Ohne das therapeutische Klonen auch nur zu erwähnen, plädiert Stauffacher dafür, die Grenze zum Verbotenen erst vor dem reproduktiven Klonen anzusetzen. Es sollten keine weitergehenden ‚Verhinderungsverbote'erlassen werden, welche das Ausloten der davor liegenden Bereiche unmöglich machen würden. Das Argument, die Forscher würden auf eine ‚Rutschbahn' geraten und die Grenzen würden mit der Zeit immer weiter hinausgeschoben, will der Mediziner nicht gelten lassen. Bloss die Grenze zum Klonen eines Menschen sei klar. "Unscharfe Grenzen oder solche, die sich in absehbarer Zukunft verschieben, eignen sich jedoch nicht zu einer gesetzgeberischen Grenzziehung, deren Ziel langfristige Rechtssicherheit sein soll." Das vom Departement Metzler vorgelegte Embryonenforschungsgesetz verdient laut Stauffacher "eine vertiefte, emotionslose Diskussion, der sich die Schweizer Wissenschafter gerne stellen werden". Der Artikel des Mediziners schliesst mit der in solchen Fällen regelmässig geltend gemachten Perspektive: "Das EFG soll die Gesellschaft vor Exzessen schützen, der Forschung aber in definierten Grenzen jenen unerlässlichen Freiraum gewähren, der neue, fruchtbare Entwicklungen zugunsten der kranken Menschen möglich macht."Anhaltende Aufregung nach ‚Eve'
Klonen ist verboten und ein Unsinn, aber...
...Klonen wäre ‚ein Quantensprung'
Wer hat das Sagen?
Rechtliches Verbot nur an einer klaren Grenze
Datum: 16.01.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch