Für StopArmut Preis nominiert

«Ohne eine Flasche Wein kommst du nicht zu deinem Recht»

Das Anti-Korruptionsprogramm der Heilsarmee geht in den beiden Kongos gegen Korruption vor und ist dafür für den StopArmut-Preis nominiert. Irène Cherpillod, Verantwortliche für Afrikaprojekte der Heilsarmee, schildert ihren Kampf gegen Korruption.
Irène Cherpillod
Ein Laborant untersucht Patientenblut auf Spuren von Malaria.
Gegen Korruption: Ein Workshop der Heilsarmee im Kongo, ein Pilotprojekt

Livenet: Frau Cherpillod, um was geht es in ihrem Anti-Korruptions-Programm?
Irène Cherpillod: «Korruption tötet» – Dies ist die Aussage des Schweizer Ethikers und Theologen Prof. Christoph Stückelberger. Auch christliche Organisationen können von Korruption betroffen sein. Die Bibel verurteilt sie, weil damit Wahrheit, Gerechtigkeit und der Schutz der Armen verloren gehen.

Die schweizerische Heilsarmee unterstützt seit vielen Jahren die medizinische Hilfe der Heilsarmeen der beiden Kongo. Mit diesen Partnern wurde ein Pilotprojekt gestartet, um die Korruption zu bekämpfen. Wir wollen die Verwaltung der beiden Heilsarmeen qualitativ stärken und transparente und verantwortungsbewusste Systeme aufbauen.

Letztes Jahr fand ein erster Workshop in Kinshasa statt. Dreissig Teilnehmer aus acht kongolesischen Organisationen lernten Massnahmen gegen Korruption. Zusammen erarbeiteten sie einen Verhaltenskodex und eine Lehrbroschüre. Nach dem Workshop machten sich die Teilnehmer gleich daran, das Erlernte anzuwenden.

In diesem Jahr geht es nun darum, weitere Mitarbeiter zu schulen. Wir wollen das Programm über viele Jahre aufrecht erhalten, um genügend Zeit zur Umsetzung haben. Die im Pilotprojekt erworbenen Erkenntnisse können dann öffentlich gemacht werden und so die Bemühungen gegen die Korruption im Kongo und in der Schweiz langfristig unterstützen. 

Wie kam es zu Ihrem Anti-Korruptionsprogramm?
Bei Besuchen vor Ort haben wir beispielsweise das Phänomen der «Taschenapotheke» – verkauften, aber nicht verbuchten Medikamenten – kennengelernt. Uns wurde auch von Korruptionsfällen berichtet. Die zwei Leiter der medizinischen Hilfe wollten dieses Problem aus ihren Strukturen verbannen und damit ein Vorbild in ihren Ländern sein. Auch in der Schweiz haben wir bei Treffen mit anderen NGOs bemerkt, dass Korruption eine der Hauptsorgen von vielen Werken ist, die im Kongo, aber auch überall in der Welt, tätig sind. Aus ihrer christlichen Überzeugung heraus hat die Heilsarmee die Initiative für dieses Pilotprojekt ergriffen.

Was war für Sie persönlich ausschlaggebend, dass Sie sich für das Wohl der Armen engagieren?
Ich komme selber aus der Wirtschaft und habe mich häufig gefragt, wie man Armut aus dieser Welt schaffen könne. Nach zwei Jahren Erfahrungen in Kamerun und einiger Zeit als internationale Analystin in einer Schweizer Bank habe ich festgestellt, dass christliches Engagement innerhalb einer NGO für mich die beste Art ist, Armut zu bekämpfen. Der Kampf gegen Korruption ist ein sehr effektives Mittel, Armut einzudämmen. Ich möchte mich gegen Korruption einsetzen, weil sie tötet und die Gesellschaft zerstört, sie unterdrückt die Rechte von armen Menschen und verhindert die wirtschaftliche Entwicklung. Das Vertrauen der Menschen zueinander, Integrität und Glaubwürdigkeit gehen verloren. Korruption verstärkt zudem Gewalt und militärische Macht.

Inwiefern werden die diesjährigen Anliegen von StopArmut 2015 in ihrem Projekt berücksichtigt?
Unser Programm gegen Korruption hilft, Ressourcen effektiv zu nutzen und leistet somit direkt einen Beitrag zu «Good Governance», also einer verantwortungsbewussten Verwaltung. Die Leiter unserer Partnerorganisationen werden in ihren Aufgaben gestärkt. Dank dem Alarmsystem kann jeder Mitarbeiter einen Korruptionsfall erkennen, die Stimme erheben und sich gegen Ungerechtigkeiten wehren.

Welches sind besondere Höhepunkte in ihrer Arbeit?
Wenn sich ein Leiter eines Werkes oder sogar eines Landes entschliesst, gegen Korruption anzukämpfen, ist dies ein grosser Sieg. Diese Menschen sind sozusagen der Schlüssel zum Erfolg. Nur dank ihnen können wir konkrete Schritte in Angriff nehmen und Mitarbeiter schulen. Solche Leiter beeindrucken mich sehr. Es ist ein Privileg für mich, ihnen mit dem Anti-Korruptionsprogramm helfen zu können.

Was sind die Schwierigkeiten?
Viele Mitarbeiter befürchten, sie könnten zu Unrecht bestraft werden. Deshalb braucht es transparente Strukturen, Aufklärung und Schulung. Auch wenn nicht alle Korruptionsfälle verhindert werden können, müssen sie doch systematisch aufgedeckt werden, damit alle lernen, richtig darauf zu reagieren.

Selbst die Organisationen in der Schweiz befürchten, dass sie mit einem solchen Programm das Vertrauen ihrer Spender verlieren und somit Einbussen erleiden könnten. Solche Befürchtungen sind aber unbegründet, weil ein Werk, das Korruption bekämpft, verantwortungsbewusst und vertrauenswürdig ist. Diese Organisationen sind sich des schwierigen Umfeldes bewusst, in dem sie arbeiten und versuchen, Korruption mit einer klaren Politik entgegenzutreten. So werden sie sogar noch glaubwürdiger.

Sind Sie in Ihrer Arbeit mit strukturellen Problemen konfrontiert?
Die strukturellen Probleme sind zahlreich. Weil die Löhne zu niedrig sind und die Angestellten manchmal überhaupt nicht ausbezahlt werden, ist Korruption vielfach die einzige Alternative. Vetternwirtschaft ist weit verbreitet. Familien- oder Clanangehörige werden privilegiert und die eigentlichen Bedürfnisse des Landes bleiben unbeachtet. Es kann vorkommen, dass Regierungen unbegründet Steuern erheben oder die Gesetzeslage abrupt verändern. Häufig ist die Justiz korrupt: Ohne eine Flasche Wein kommst du nicht zu deinem Recht. Einige staatliche Institutionen funktionieren überhaupt nicht.

Wie kann sich jemand in der Schweiz für Ihr Projekt engagieren?
Es ist schwierig, finanzielle Mittel für ein Anti-Korruptionsprogramm zu finden. Es benötigt Geld, um unser Programm umzusetzen. Es braucht aber auch viel Mut und ein grosses Engagement. Es hilft uns, wenn man unsere Initiative bekannt macht und für uns betet. So können wir die Schwierigkeiten überwinden.

Für das Antikorruptionsprogramm suchen wir auch Freiwillige, die Erscheinungen durchlesen und auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Urdu und andere Sprachen übersetzen.

Was sind Ihre Zukunftswünsche für Ihr Projekt?

Wir möchten dieses Programm noch viele Jahre weiterziehen. Es braucht viel Zeit, Korruption aus der Gesellschaft zu verbannen. Auch ist es nötig, die Anstrengungen auf allen Ebenen zu koordinieren und Erfahrungen auszutauschen, um diese weltweite Plage zu bekämpfen. Die Heilsarmee engagiert sich dafür.

Der StopArmut Preis wird am 15. Sept. 2012 an der StopArmut Konferenz 2012 «Licht in eine korrupte Welt» im Burgsaal Thun verliehen. Informationen und Anmeldung hier.

Datum: 06.09.2012
Autor: Cedric Zangger
Quelle: StopArmut 2015

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