Charme-Offensive und Peitschenhiebe im Sudan

Nicht nur Lastwagen sind im Sudan schwer beladen.

Die sudanesische Regierung hat der südsudanesischen Befreiungsbewegung SPLM/A eine‚ politische Allianz‘ vorgeschlagen. Dies sagte Sayed El Khatib, der Direktor des Zentrums für strategische Studien in Khartum, dem Internet-Dienst allafrica.com. Sayed nahm am letzten Mittwoch mit einer Regierungsdelegation an Gesprächen in Washington teil, zu denen die US-Regierung die Bürgerkriegsparteien aufgefordert hatte. Der Sprecher der Rebellen dagegen mochte nicht von einer ‚Allianz‘ sprechen, sondern vom Aufbau einer Arbeitsbeziehung für die Administration des Sudan in der sechsjährigen Übergangszeit bis zur Volksabstimmung über die Zukunft des Südens.

Bei der letzten Gesprächsrunde in Kenya Ende November hatten die beiden Seiten sich nicht über die Machtteilung und die Zuweisung von Geldern an den Süden einigen können. Die SPLM/A forderte 60 Prozent der Einkünfte aus der Ölförderung für den bisher vernachlässigten Süden, Khartum will nur 10 Prozent abgeben. Der Sudan fördert derzeit täglich 230'000 Barrel Öl; der Erlös daraus stellt 40 Prozent der Staatseinnahmen dar.

Im Oktober war der im Sommer vereinbarte, aber bald gebrochene Waffenstillstand zwischen Khartum und den Rebellen im Südsudan unter amerikanischem Druck erneuert worden. Mit den Einkünften aus dem Ölgeschäft hat Khartum mehr Mittel für den militärischen Kampf. Die Armee hat modernes Gerät eingekauft. Die USA haben die Regierung und die Rebellen an den Verhandlungstisch gezwungen (die scharfen Drohungen gegen Schurkenstaaten im Rahmen des Kriegs gegen den Terrorismus taten das Ihre). Der US-Sondergesandte Danforth arbeitet auf eine dauerhafte Autonomieregelung für den Südsudan hin; eine Abspaltung will er verhindern.

Kirchen fördern Verständigung

Über 100 Vertreter von fünf Rebellengruppen und weiteren Organisationen haben Mitte Dezember an einem Treffen in der ugandischen Stadt Entebbe über Frieden und Versöhnung im Südsudan und über den Aufbau ziviler Verwaltungsstrukturen gesprochen. Bisher haben die militärischen Kommandanten das Sagen; oft schlagen die Soldaten über die Stränge. Die Rivalitäten unter den Kommandanten verhindern den geordneten Wiederaufbau der Infrastruktur wie auch den geeinten Auftritt des Südsudan im Verhandlungspoker.

Zum Treffen in Entebbe eingeladen hatten drei kirchliche Dachverbände. Der Leiter des südsudanesischen Kirchenrats NSCC Haruun Ruun sagte, die Menschen im Südsudan hätten das Vertrauen in jede Zentralregierung verloren. Darum hätten die Kirchen das Forum organisiert, an dem Vertreter der Zivilgesellschaft, politischer und militärischer Organisationen sich aussprechen könnten. Die sechsjährige Übergangszeit bis zur Volksabstimmung erfordere ein anderes Herangehen an die Probleme.

Ein ugandischer Reporter vermerkte nach einer Reise in den Südsudan, die SPLA kontrolliere ihr Kerngebiet seit 19 Jahren, doch ihr Stolz auf den ‚Neuen Sudan‘ klinge hohl, da es kaum Strassen und Projekte zum Aufbau von Schulen gebe. Spitäler würden von der anglikanischen Kirche und Hilfswerken betrieben. Die SPLA-Kommandanten wüssten sehr wohl um den Wert der Bildung, schreibt der Reporter: Ihre eigenen Kinder hätten sie in Schulen in Uganda untergebracht!

Der Moderator des Treffens in Entebbe, ein ugandischer Politiker namens Ronald Reagan Okumu, warnte die USA, Grossbritannien und die Staatengemeinschaft davor, dem Südsudan einen ungerechten Frieden aufzuzwingen. Die Welt solle sich um die Millionen Menschen kümmern, die durch den Bürgerkrieg vertrieben worden oder geflüchtet seien, sagte Okumu. Der mächtigste Mann im Südsudan, der SPLA-Chef Garang, nahm nicht am Treffen teil.

Flüchtlingselend in Kenya

In den Flüchtlingslagern in Nord-Kenya hat sich die Ernährungslage der Flüchtlinge aus dem Sudan im November verschärft. In Kakuma wurden die Rationen von 2167 auf 1700 Kilokalorien pro Tag gesenkt, weil die Vorräte nur noch wenige Wochen reichen. Das Welternährungsprogramm schätzt, dass jedes zehnte Kind in den Lagern unterernährt ist. Eine Sprecherin der Flüchtlinge in Kakuma bezeichnete ihre Lage als schlecht. Es werde vermehrt zu Diebereien, Vergewaltigungen und Kämpfen kommen, wenn die Flüchtlinge nicht mehr zu essen bekämen, und auch die Spannungen zwischen den Flüchtlingen und den einheimischen Kenyanern nähmen zu.

Befreiung aus der Sklaverei

In den letzten Jahrzehnten versklavten Milizen aus dem arabischen Teil Sudans im schwarzafrikanischen Süden weit über 100'000 Personen, wobei Männer regelmässig umgebracht wurden. Die Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International (CSI) begann 1995, die Sklaven, Frauen und Kinder, freizukaufen. In diesem Jahr hat CSI in den südsudanesischen Bezirken Aweil Ost, West, Süd und Nord sowie Twic, Gogrial und Abyei insgesamt 14'462 Sklaven freigekauft. Eine noch grössere Zahl kam ohne die Bezahlung einer Freikaufssumme zurück, aufgrund von Vereinbarungen lokaler Friedenskomitees von Dinkas (das grosse schwarzafrikanische Volk im Südsudan) aus den erwähnten Bezirken und Arabern in Darfur und Südkordofan. Seit 1995 hat CSI im Sudan insgesamt 78'095 Sklaven freigekauft.

Wurzeln in der Kolonialzeit

Der Bürgerkrieg im Sudan hat schätzungsweise zwei Millionen Menschen das Leben gekostet. Er dauert seit 1983 an. Damals erklärte Präsident Numeiri die islamische Sharia als im ganzen Land gültig. Doch die Christen im Südsudan haben sich schon seit der Unabhängigkeit des Landes 1955 friedlich und mit Waffen gegen Versuche der Machthaber in Khartum gewehrt, den Sudan durch den Islam zu einigen.

Die Briten hatten während ihrer Kolonialherrschaft die Entwicklung des Nordens auf Kosten des Südens vorangetrieben. Noch heute liegen die allermeisten bewässerten Felder im Norden; dem Süden hat die Regierung die nötigen Entwicklungsgelder verweigert. Die Bodenschätze will sie ausbeuten, ohne die dort verwurzelten Völker am Reichtum teilhaben zu lassen.

Scharia im Sudan: 100 Peitschenhiebe für ledige Mütter

Die sudanesische ‚Organisation gegen Folter‘ SOAT berichtet von der Bestrafung von 17 jungen Frauen in Munwashi im arabischen West-Sudan. Die ledigen Frauen, die Kinder zwischen 6 und 12 Monaten haben, wurden im November im summarischen Verfahren des Ehebruchs schuldig gesprochen, mit der Strafe von 100 Peitschenhieben belegt und am gleichen Tag ausgepeitscht. Das Urteil erging gemäss Artikel 146 des sudanesischen Strafgesetzbuchs, das für Ehebruch die Steinigung (wenn die Angeklagte verheiratet ist) oder 100 Peitschenhiebe vorsieht. Männer wurden keine verurteilt. Die Frauen hatten keinen Beistand vor Gericht; eine Gelegenheit, das Urteil anzufechten, gab es nicht.

Die Namen der 17 Frauen sind:

1. Um Alnas Mohamed Ahmed (21-jährig)

2. Hanan Abdulrahman Mohamed (19)

3. Hagir Mohamed Ahmed (18)

4. Nimat Abakr Abdelgadir (19)

5. Rasha Bahr Aldin Adam (18)

6. Fatima Abdulla Adam (20)

7. Gada Mosa Hamid (18)

8. Shamael Omar Fadl (22)

9. Hawa Yousif Abdelgadir (18)

10. Fathia Ahmed Abdulrahman (18)

11. Laila Adam Siraj (20)

12. Kaltoum Isam Adam (22)

13. Rawda Abdelgabar Mohamed (20)

14. Zahra Hassan Ali (21)

15. Gadah Abdelgabar (19)

16. Asma Mohamed Ahmed (18)

17. Zakia Altayeb

Die Weltorganisation gegen die Folter OMCT in Genf hat die brutalen Körperstrafen scharf verurteilt. Sie fordert die Oeffentlichkeit auf, bei den sudanesischen Behörden schriftlich gegen die Misshandlung der Frauen zu protestieren und angemessene Entschädigung für die Verletzungen zu fordern. Der Sudan hat internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte unterzeichnet. Im besonderen, schreibt die OMCT, müssten den Frauen gleiche Rechte wie den Männern gewährt werden.

Briefe sind zu richten an:

· His Excellency Lieutenant General Omar Hassan al-Bashir, President of the Republic of Sudan, President' s Palace, PO Box 281, Khartoum, Sudan, Fax: + 24911 771651

· His Excellency Mr Mustafa Osman Ismail, Minister of Foreign Affairs, Ministry of Foreign Affairs, PO Box 873, Khartoum, Sudan, Fax: + 24911 779383.

· Dr Ahmed al-Mufti, Advisory Council for Human Rights, PO Box 302, Khartoum, Sudan, Sudan, Fax: + 24911 770883

· Mr Ali Mohamed Osman Yassin, Minister of Justice and Attorney General, Ministry of Justice, Khartoum, Sudan, Fax: + 24911 788941

· His Excellency Ambassador Mr. Ibrahim Mirghani Ibrahim, Permanent Mission of the Republic of Sudan to the United Nations in Geneva, PO Box 335, 1211 Geneva, Switzerland, Fax: +4122 731 26 56, E-mail: mission.sudan@ties.itu.int .

Datum: 23.12.2002
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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