So zerfällt «die Schweiz des Nahen Ostens»

Die Khatem al-Anbiyaa Moschee in Beirut (Foto: David Bjorgen).
Die St. Paul Basilika in Harissa, Libanon (Foto: FunkMonk).
Gemütliche Passage in Beirut (Foto: Bertil Videt).
Die Hisbollah
Grand Serail – der Regierungssitz in Beirut (Foto: Qasamaan).

Der Libanon wurde auch "die Schweiz des Nahen Ostens" genannt. Verschiedenste Interessengruppen lebten friedlich nebeneinander. Jetzt leben sie misstrauisch bis kriegerisch gegeneinander. Zu den Leidtragenden gehören die Christen.

Radikale Moslems wollen den Libanon islamisieren, berichtet die HMK Deutschland ("Hilfe für Mensch und Kirche"). Syrien und der Iran würden dieses Bestreben unterstützen, auch durch ihren verlängerten Arm, die Hisbollah, die ihren Willen mit Bomben und Kalaschnikows durchzusetzen versucht.

Christen werden hart bedrängt. Wir sprachen mit Michael Hausin über die Lage im Libanon. Hausin publiziert die HMK-Zeitschrift "Stimme der Märtyrer".

Livenet.ch: Michael Hausin, Menschen werden im Libanon unterdrückt, was geschieht dort?
Michael Hausin: Jeder politisch Interessierte sieht sich mit einer Verletzung seiner Menschenrechte konfrontiert. Probleme gibt es zwischen pro-syrisch und anti-syrisch Gesinnten; die grösseren Probleme hat man, wenn man sich gegen Syrien ausspricht.

Im Jahr 2005 gingen Christen, Drusen und Moslems gemeinsam auf die Strasse und Frankreich und die USA machten Druck, so dass Syrien seine Truppen aus dem Libanon abziehen musste. Aber durch die Hisbollah haben die pro-syrischen Kräfte eine Allianz, die über Syrien bis in den Iran reicht. Mehrere Anschläge gegen anti-syrische Politiker folgten, wie etwa gegen Rafik Hariri. Die HMK widmet sich den unterdrückten Christen.

Was läuft schief, dass Christen unter Druck geraten?
In Gebieten wo die Christen in der Mehrheit sind, da werden sie nicht verfolgt. Aber im Süden hat der libanesische Staat keine Herrschaft mehr; dort ist Hisbollah-Land.

Die Christen sind dort eine Minderheit; angewendet wird die Scharia. Christen sind zwar laut dieser Auffassung "Schutzbefohlene". Wem es aber beliebt, der kann das aufkündigen. Mit Gewalt oder Geld versucht man, die Christen zum Islam zu bekehren und die Standhaften aus dem Land zu vertreiben.

Wie konnte das geschehen? Nannte man den Libanon doch einst "die Schweiz des Nahen Ostens" ...
Im Jahr 1975 brach alles total zusammen. Rückblickend kann man nur staunen, wie lange das gut gegangen war. Nach dem "Schwarzen September" wurde die PLO von Jassir Arafat aus Jordanien rausgeworfen. Viele flüchteten in den Libanon und wollten dort einen Palästinenserstaat errichten. So entstanden viele palästinensische Flüchtlingslager. Von diesen geht noch heute Gefahr aus.

In dieser Nation sind enorm viele Interessensgruppen, und alle haben Angst, ins Hintertreffen zu geraten. In den 90er Jahren wurden die Milizen durch einen UNO-Kompromiss aufgelöst. Aber die Hisbollah hielt sich nicht daran, und heute ist sie so gut bewaffnet, dass sie es mit der libanesischen Armee aufnehmen könnte.

Beirut bezeichnete man als "Paris des Nahen Ostens" - warum werden dort Christen angegriffen?
Bestimmte prominente Christen sind Wortführer der anti-syrischen Seite. Die Gegner wollen die Christen einschüchtern und ihnen zu verstehen geben, dass sie in der kommenden Auseinandersetzung besser nicht auf israelischer Seite oder gegen Syrien stehen. Der christliche Politiker Michel Aoun schlug sogar ein Bündnis mit der Hisbollah vor.

Die Ausgrenzung geschieht wegen der Politik und weniger wegen des Glauben?
In Beirut ja, im Süden spielen dann Glaubensvorurteile eine grössere Rolle. Christen gelten der Hisbollah als Kollaborateure mit Israel.

Sie sprechen auch von einer "Libanisierung" - was ist das?
Dieser Begriff ist in der politischen Wissenschaft neu entstanden. Denn was im Libanon passierte, geschieht auch an anderen Orten, nämlich dass ein blühender Staat zerfällt, gute Strukturen zusammenbrechen und Anarchie aufkommt, wie etwa in Somalia.

Seit wann werden Christen im Süden an den Rand gedrängt?
Vor dem Bürgerkrieg waren Christen in Armee und Polizei, offene Übergriffe gab es nicht. Alle hielten sich an das Nebeneinander der Religionen. Zwar gab es keine Mischehen, aber ein friedliches, nüchternes Miteinander. In den 80er Jahren änderte sich das. Im Süden erhielten die Christen israelische Unterstützung, doch im Jahr 2000 zog die israelische Armee ab. Seither werden Christen im Südlibanon brutal verfolgt.
Haben sich die Christen selbst in die schwere Lage gebracht?
Im Verlauf des Bürgerkriegs waren sie ins Hintertreffen geraten. Nur dank den Israeli konnten sie frei in ihrem Land sein; deshalb setzten sie auf die Karte Israel. Auf Druck der UNO und USA zogen die Israeli dann aber ab, und die Christen hatten niemanden mehr. Die islamischen Milizen hatten aber die ganze Zeit über Syrien und den Iran im Hintergrund.

Und die Christen im Westen unterstützen die Unterdrückten nicht?
Die maronitischen Christen hatten zwar eine Beziehung zu Frankreich. Doch Frankreich wollte sich mit Syrien arrangieren, da waren die Maroniten für die Franzosen nur eine lästige Verschiebemasse.

Warum ist Syrien derart interessiert am Libanon?
Es könnte dadurch seine Grenzen abrunden. Im Osmanischen Reich gehörte der Libanon zu Syrien. Damaskus könnte die libanesischen Häfen in Sidon und Tyrus ausbauen und benutzen, und zudem hätte Syrien eine schöne Nordgrenze zu Israel und könnte entsprechend auftreten.

Was tut die HMK im Libanon?
In Tyrus helfen wir 3000 christlichen Fischern. Diese werden von der Hisbollah gegängelt. Die Krieger dieser Partei zerschneiden Netze der Fischer, sabotieren ihre Fahrzeuge und Boote und beschädigen Häuser. Wie bieten ihnen Mikrokredite, so dass sie reparieren und bleiben können, obschon die Hisbollah versucht, ihnen die Lebensgrundlage zu nehmen.

Ausserdem haben wir ein Notfallprogramm, zum Beispiel wenn im christlichen Quartier wieder Bomben auf Busse geworfen werden. Wir helfen dann den Opfern.

Wie kann man von hier dazu beitragen?
Man kann in der eigenen Gemeinde das Thema ansprechen, einen Gottesdienst oder Bibelabend zum Thema vorbereiten. Als Gemeinde könnte man zum Beispiel über uns auch Kontakt zu einer Gemeinschaft vor Ort knüpfen und so helfen oder einen Referenten einladen.

Webseite: www.h-m-k.org

Datum: 18.02.2008
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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