Lösung des Dilemmas

Brosius-Gersdorf zieht ihre Kandidatur zurück

Das Bundesverfassungsgericht in Deutschland
Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf hat sich entschlossen, nicht mehr als Kandidatin für das deutsche Bundesverfassungsgericht anzutreten. Sie habe «keine reelle Wahlchance» mehr.

Zur Erinnerung: Kurz vor der Sommerpause des Parlaments sollten drei neue Richterinnen oder Richter für das Bundesverfassungsgericht, die höchste juristische Instanz der Bundesrepublik, gewählt werden. Gegen die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf gab es aus Kreisen der CDU/CSU deutlichen Widerstand, was die erste Koalitionskrise der neuen Regierung auslöste. Plagiatsvorwürfe wurden kurz laut, aber im Kern stand die Haltung von Brosius-Gersdorf in der Abtreibungsfrage. Sie hatte unter anderem erklärt, es sei ein «biologistisch-naturalistischer Fehlschluss, zu meinen, die Menschenwürde gelte überall, wo menschliches Leben existiere». Im Klartext: De Menschenwürde gilt nicht für alle Menschen, zum Beispiel nicht für Ungeborene. Mit dieser Auffassung widerspreche sie dem Grundgesetz, das festhält: «Die Würde des Menschen ist unantastbar», so ihre Kritiker. Die Wahl war vertagt worden.

«Diffamierungskampagnen»

Am vergangenen Donnerstag hat Brosius-Gersdorf bekanntgegeben, dass sie «nach reiflicher Überlegung» für die Wahl als Bundesverfassungsrichterin nicht mehr zur Verfügung stehe. Sie sprach von einer medialen Kampagne gegen ihre Person, von Desinformation und Diffamierung. Unter anderem war sie als «ultralinke Aktivistin» bezeichnet worden – nach ihr ein «wirklichkeitsfremdes Zerrbild». Die Juristin kritisierte vor allem, dass nicht nur soziale Medien, sondern auch Abgeordnete solchen Kampagnen folgten. Von ihnen müsse man erwarten, dass «Grundlage ihrer Entscheidung nicht ungeprüfte Behauptungen und Stimmungen, sondern Quellen- und Faktenanalysen sind».

Ausserdem wolle sie die Wahlchancen der beiden anderen Kandidaten nicht gefährden, «die ich schützen möchte», schrieb die Juristin.

«Keine reelle Wahlchance mehr»

Sie sei zwar von vielen zum Durchhalten ermutigt worden, aber Durchhalten mache nur Sinn, «wenn es eine reelle Wahlchance gibt, die leider nicht mehr existiert». Ihre Erklärung und ihre Argumente im Wortlaut kann man hier nachlesen. Sie fordert, das Verfahren der Richterwahl solle in Zukunft mit «mehr Verantwortungsbewusstsein» praktiziert werden. Die Politik dürfe sich nicht «von Kampagnen treiben» lassen, sonst drohe eine nachhaltige Beschädigung des Verfahrens.

Mit dem Rückzug von Brosius-Gersdorff ist der Weg nun frei für eine Neubesetzung der freigewordenen Richterstelle am Bundesverfassungsgericht. Es bleibt abzuwarten, wie sich SPD und CDU/CSU hier nun zusammenraufen. Politiker von beiden Seiten hatten zuletzt laut darüber nachgedacht, alle drei Richterkandidaten neu auszusuchen.

Nach ersten Medienkommentaren tut Brosius-Gersdorff mit ihrem Verzicht «der deutschen Demokratie einen Gefallen» (NZZ). Auch der deutsche «Merkur» sieht ihren Rückzug als «Rettung». Wie auch immer: Neue Richtervorschläge werden für die kommenden Wochen erwartet.

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Datum: 09.08.2025
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Die Tagespost / Die Zeit

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