Von Grossem beeindruckt?
Manchmal lassen wir uns leicht von Grossem beeindrucken. Als ich das erste Mal in Paris und Versailles war, da war ich von der Grösse der Schlösser, der Parks und Alleen beeindruckt. Im Vergleich dazu kam mir unser Bundeshaus klein und unbedeutend vor. Grösse ist für uns Menschen oft ein Gradmesser für Erfolg. Open Airs, Strassenfeste, Sportanlässe werden daran gemessen, wie viele Menschen sie anziehen. 10‘000? 250‘000? 1 Million Menschen? Messen wir sogar Gemeinden so?
Jesus hat oft auch grosse Menschenmengen angezogen. Bei der Speisung der 5‘000 Männer waren es inklusive Frauen und Kinder vielleicht sogar 20‘000 Menschen. Jesus schien das nicht beeindruckt zu haben. Ihm ging es vor allem um seine zwölf Jünger. Er wollte sie dort etwas lehren. Er wollte ihnen helfen zu erkennen, wer er war. Und das geschah im Herzen des einzelnen Jüngers.
Jesus sieht im Grossen den Einzelnen
Wir sehen Jesus in den Evangelien oft inmitten von Menschengruppen, aber angesprochen hat er den einzelnen Menschen. Levi hat er persönlich aufgefordert: «Komm, folge mir nach.» Zu Zachäus sagte er: «Heute komme ich zu dir zum Abendessen.» Für die Frau mit den Blutungen hat er sich mitten in der Menschenmenge und auf dem Weg zu einem Notfall persönlich Zeit genommen. Jede dieser persönlichen Begegnungen hat beim Angesprochenen eine tiefe Veränderung ausgelöst.
Das Reich Gottes ist welt- und zeitumspannend. In der Offenbarung lesen wir von riesigen Menschenmengen, die sich um den Thron des Lammes versammeln (Offenbarung, Kapitel 7, Vers 9). Aber sie sind alle dort, weil jeder Einzelne von ihnen persönlich von der Liebe Jesu ergriffen wurde und sich entschieden hat, ihm nachzufolgen.
Die Sicht von Jesus oder der Zeitgeist
Was bedeutet das für uns als Gemeinden und Nachfolger Jesu heute? Lassen wir uns von grossen Zahlen beeindrucken? Spüren wir den Druck, «mehr zu tun, um gross zu werden»? Oder nehmen wir die Sichtweise Jesu an? Geht es uns auch um die Veränderung des einzelnen Menschen – hin zum Charakter und Abbild von Jesus?
Wie das Reich Gottes wächst
Jesus zeigte mit dem Gleichnis vom Senfkorn, wie das Reich Gottes funktioniert. Wenn der Glaube an Jesus gepflanzt und genährt wird, wird er wachsen, sich entwickeln und sichtbar werden. Vielleicht wird er sogar Grosses bewirken. Manchmal wollen wir beim sichtbar Grossen einsteigen. Weil das nicht funktioniert, werden wir entmutigt und machen gar nichts.
Was braucht es, um das Senfkorn zur Entfaltung zu bringen? Was braucht es, dass ein Mensch Jesus vertraut und sich freiwillig unter seine Führung stellt?
Es braucht eine Einladung. Manchmal sind wir jahrelang mit Freunden und Bekannten unterwegs, ohne dass sie je von uns erfahren, was das Evangelium genau ist und was es für uns bedeutet. Ohne eine klare Einladung, sich mit Jesus einzulassen, werden sie es auch nicht tun. Wenn wir nichts säen, wird auch nichts wachsen.
Zeit zum Wachsen
Es braucht Zeit zum Wachsen. In Markus, Kapitel 4, Vers 27 erzählt Jesus dazu das Gleichnis vom Bauern, der die Saat einfach aufgehen lässt. Er vertraut dem Naturgesetz von Saat und Wachstum. Kürzlich habe ich eine Frau wiedergetroffen, die vor zehn Jahren in den Alphakurs kam. Wir hatten damals einen recht intensiven Kontakt mit guten Glaubensgesprächen. Dann verloren wir uns aus den Augen. Sie brauchte ihren Freiraum, um zu wachsen. Letztes Jahr habe ich sie wiedergetroffen. Sie war recht verändert und gereift. Sie hat Kontakt mit anderen Christen und fühlt sich in einer anderen Gemeinde wohl. Sie hat dann ausgedrückt, dass unsere Gespräche und Gebete für sie die Grundlage für ihr Glaubensleben waren. Sie dankte mir auch, dass ich sie nicht unter Druck gesetzt hätte, in unsere Gemeinde zu kommen, sondern sie einfach frei gelassen hätte. Ich war recht überrascht. Denn in meinem Herzen hatte ich damals das traurige Gefühl, dass sich in ihrem Leben durch unsere gemeinsame Zeit nichts verändert hätte.
Vertrauen in den Heiligen Geist
Es braucht auch Vertrauen, dass der Heilige Geist wirkt. Er hat seinen eigenen Zeitplan für die Menschen. Manchmal nehmen wir uns selbst zu wichtig. Wir überschätzen unseren Einfluss auf die Menschen. Dadurch setzen wir uns selbst und auch andere unter Druck. Für Menschen ausdauernd zu beten ist der beste Dünger für ihr Wachstum (Kolosser, Kapitel 4, Vers 12).
Es braucht ein offenes Herz gegenüber dem Heiligen Geist, damit wir spüren, wann wir gefragt sind und wann nicht. So wie Philippus bereit war, als der Heilige Geist ihn spontan zur Begegnung mit dem äthiopischen Finanzminister rief (Apostelgeschichte, Kapitel 8, Vers 26).
Freiheit und Gelassenheit
Wir müssen anderen Menschen auch die Freiheit lassen, Gott auf ihre eigene Art zu begegnen und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Wir sind alle verschieden. Das gibt unserem Herzen Gelassenheit, und Gelassenheit ist in unserer Zeit sehr anziehend. Ich liebe die Tauffeste in unserer Gemeinde. Mein Herz ist immer voll Dankbarkeit und Anbetung, wenn die Täuflinge vor der versammelten Gemeinde beschreiben, wie die Entscheidung zur Nachfolge Jesu in ihrem Herzen langsam gewachsen ist. Sie reihen sich damit in die unzählbare Schar der Menschen vor dem Thron des Lammes im Himmel ein.
Datum: 10.11.2013
Autor: Irene Dummermuth
Quelle: BewegungPlus Online