Gott im Maisfeld

Bo, gespielt von Abigail Breslin und Graham Hess, Mel Gibson.
Neu im Kino - Signs

Ein Mann wird aus dem Schlaf gerissen. Getrieben von einem unbestimmt bedrohlichen Gefühl, springt der Farmer Graham Hess (Mel Gibson) aus dem Bett, ein hastiger Blick ins Kinderzimmer. Dann stürzt er ins Freie. Die Furcht schleicht sich mit dem Wind heran, der durch die Maiskolben raschelt. Klopfgeräusche hinter der Mauer. Krallenfinger unter dem Türspalt. Die Ereignisse überschlagen sich: Der Hund wird plötzlich aggressiv und greift seine Kinder an, ein unbekannter Fremdling taucht auf dem Dach des Hauses auf, und aus dem Babyphon kommen unheimliche Geräusche. Angst wird im Kopf des Zuschauers nicht durch die Anhäufung von Fakten erzeugt, sondern durch Interpretation von Zeichen – und deshalb ist der Titel des Films "Signs" passend, auch wenn er zunächst nur als Gruselmär daherkommt.

Dann die Entdeckung: Ein 200 Meter grosser "Kornkreis" in einem seiner Maisfelder. Woher kommt dieses Zeichen? Hess hat bald einen Verdacht: Vielleicht von den Nachbarskindern? Auch in anderen Teilen der Welt tauchen urplötzlich diese seltsamen Kreise auf. Schnell erkennt Hess, dass mehr dahinterstecken muss als ein schlechter Scherz. Es sind feindlich gesonnene Aliens, die nicht nur sein Haus bedrohen. Die Lage spitzt sich zu. Inmitten einer Medienhysterie sucht er mit seinem Bruder Merrill und den Kindern nach einer Lösung.

Um den Ex-Pfarrerr und Farmer Hess und seine Familie dreht sich die ganze Geschichte. Als seine Frau bei einem Unfall starb, da schwor er allem Übernatürlichen und damit auch Gott ab. Seitdem ist Hess sicher, dass es da draussen niemanden gibt, der über unserm Schicksal wacht. Nicht einmal bei Tisch wird mit seinen Kindern Morgan (Rory Culkin) und Bo (Abigail Breslin) und seinem Bruder Merrill (Joaquin Phoenix) noch gebetet: "Ich werde keine Minute mehr mit Beten verschwenden", so der Mann, der in eine Sinnkrise gestürzt wurde. "Ist da jemand, der uns beschützt?", fragt der Sohn. "Da ist niemand, der uns zuschaut, wir sind ganz allein", antwortet der Vater.

Schrecken noch schrecklicher gestalten

Verweise auf fremde und ferne Mächte, die durch ihre Unbestimmtheit immer auch bedrohlich wirken, durchziehen das Filmschaffen von M. Night Shyamalan. Der Anfang des von dem Indo-Amerikaner geschriebenen und inszenierten Streifens ist recht spannend. Denn die sich steigernden Ängste der vier Menschen auf der Farm, ihre Verunsicherung, überträgt sich dank raffinierter Kameraperspektiven rasch auf die Zuschauer. Sein Rezept: Man nehme Ausserirdische und Comics-Elemente, mische spirituellen Tiefsinn dazu und überrasche die Zuschauer. Dann schaue man, dass der Schrecken noch schrecklicher daherkommt. Was verbirgt sich hinter der Tür? Was bedeutet dieser Schatten? Woher kommt jenes Geräusch? Seine Waffe ist die Stille, seine Stärke die Nuance.

Bei Shyamalan findet der Weltuntergang als Kammerspiel statt, begrenzt auf ein Farmhaus; zuletzt auf den Keller, in dem er sich mit seiner Familie gegen das Böse schützt. "Signs" – und das ist die wirkliche Stärke des Films – arbeitet nach klassischer Thriller-Kunst vorwiegend mit der Suggestivkraft seiner Bilder, mit handwerklicher Finesse und ganz nach dem Motto: Was wir nicht sehen, treibt uns am ehesten den Schauder über den Rücken. Den mageren Fakten steht ein überwältigendes Mass an Ungewissheit gegenüber.

Alien-Invasion wird zur Glaubensfrage

Schon immer hatten die "Men in black" markante Auftritte im amerikanischen Kino: die Kirchenmänner, die Pfarrer und die Prediger der diversen religiösen Gruppen. In "Signs" tritt der Hauptdarsteller als ein Geschlagener auf, ein Verlierer im Angesicht seines Herrn, der hochschreckt aus seinen Träumen, der einsam und verloren dasteht in den dunklen Räumen und leeren Gängen seines Hauses; ein Geistlicher, der seinen Glauben verlor und seinen Beruf an den Nagel hängte.

Dem Helden fehlt stets der klärende Überblick, die Erlösung der Gesamtschau, die die Zeichen in einen sinnvollen Zusammenhang rücken. Er sieht sich mit seiner Familie von aussen bedroht. Die eigentliche Frage aber liegt viel tiefer: Der Mann hat jegliches Vertrauen verloren und ist hart geworden. Was ist angemessen in dieser unübersichtlichen Welt, in der Menschen von ihrem Schicksal gezeichnet und fremden Mächten ausgeliefert sind: Glauben oder Nicht-Glauben? Es geht um die Frage des Glaubenkönnens.

Zufall oder Plan?

Es gebe zwei Sorten Menschen, erklärt der ehemalige Geistliche seinem Bruder: jene, die glauben, alles sei nur Zufall, und jene, die denken, in allem zeige sich ein göttlicher Plan. An Hess, dem Atheisten wider Willen, spielt nun "Signs" ein Konfliktprogramm durch, an dessen Ende die gute alte Vorsehung steht. Die merkwürdigen Marotten von Hess' kleiner Tochter, die Asthmaerkrankung des Sohnes, ja selbst der Unfalltod der Frau werden in einen grösseren Zusammenhang gestellt. "Signs" koppelt zudem die religiöse Spekulation an eine heikle Frage: Kann man ein guter Vater und zugleich Atheist sein? Der Film behauptet nein.

Die Botschaft von "Signs" könnte man umschreiben mit "wie findet ein Zweifler wieder seinen Glauben". Hess und Familie überstehen die Belagerung des Bösen jedoch nicht dank ihres Glaubens, sondern trotz ihres Unglaubens. Sie werden nicht belohnt, sondern beschenkt.

Kassen klingeln metaphysisch

Soweit, so gut. Mit der Aussage, dass sich hinter jedem Chaos des Zufalls schlussendlich eine ordnende Macht erkennen lässt, kann man sich identifizieren. Wieso aber unbedingt eine Alien-Geschicht hineinmixen, um diese Auffassung darzustellen? Metaphysischen Schnickschnack und Sciencefiction, vielleicht weil sonst kein Zuschauer sich solche Lebensfragen zu Gemüte führen würden?

Ja, es gibt sie noch, die Kornkreise. Und das, obwohl die Bauern Douglas Bower und David Chorley der Kornkreisszene einen grossen Schock versetzt hatten. Sie outeten sich damals als die Urheber dieser phänomenalen Kreise. Nicht nur das; sie zeigten auch noch, wie jedermann in ein bis zwei nächtlichen Stunden so einen geheimnisvollen Kreis ins Getreide zaubern kann.

Aber da nützt offenbar alle Aufklärung nichts. Immer wieder können diese "Zauberer" eine schelmische Freude geniessen, wenn wieder eines ihrer Werke für "unzweifelhaft echt" erklärt wird. Alle Beteiligten profitieren dabei von dem unausgesprochenen Deal, einschliesslich der Bauern, die mit Eintrittsgeldern und Souvenirs das Mehrfache dessen einnehmen, was ihnen an Ernte entgeht. Auch bei "Signs" klingeln die Kassen, und das wohl dank des Kornkreisphänomens und weniger wegen dem Glaubenskampf eines ehemaligen Pfarrers.

Der überraschende Schluss des Films dürfte beim Zuschauer zwiespältige Gefühle hinterlassen. Zweifellos ist "Signs" ein beeindruckender Film, mitreissend und dramatisch, der sich auf ungewöhnliche Weise eines einfachen menschlichen Bedürfnisses annimmt: Glauben.

Datum: 23.09.2002
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet.ch

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