«Für andere Menschen zu Himmelsboten werden»
Clemens Bittlinger, was muss man über Ihr Album «Leih
mir deine Flügel» wissen?
Clemens Bittlinger: Rund ein Jahr haben der Schweizer
Komponist und Arrangeur David Plüss und ich an diesem neuen Album gearbeitet.
Wir haben 13 brandneue Songs und vier bereits existierende Lieder komplett neu
arrangiert und produziert, sodass sich auf dieser CD 17 Lieder und über 63
Minuten Musik befinden. Inhaltlich geht es bei allen Songs im weitesten Sinn um
das Thema Engel. Es ist inhaltlich wie auch musikalisch ein sehr
abwechslungsreiches Werk geworden. Das Cover (Digipack) ist sehr edel und
aufwendig gestaltet, mit Goldprägeschrift, inklusive einem sehr schönen und
umfangreichen Booklett; und mit einem Passwort für einen kostenlosen Notendownload.
Können Sie ein, zwei Songs, die Ihnen besonders am
Herzen liegen, kurz vorstellen?
Zu dem Titelsong «Leih mir deine Flügel» haben mich
die Flugkünste der Möwen inspiriert, die die Fähre von Bensersiel nach Langeoog in der
Weise begleiten, dass sie sich hoch oben in Luft gewissermassen schwebend in
den Fahrtwind der Fähre «stellen» und sich so vom Fahrtwind mitziehen lassen: «Leih
mir deine Flügel, lass mich spürn den Wind, den es braucht zum Fliegen, wenn
wir oben sind, halten wir die Federn, dass wir schwebend stehn, wie wir es bei
Möwen oftmals staunend sehn.»
Der Opener Song der CD heisst «Wesen mit Flügeln» und ist inspiriert von Rudolph Otto Wiemers berühmten Gedicht «Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein». Dieses Lied wurde von den Hörerinnen und Hörern der «HR-4»-Hitparade in einem rasanten Tempo auf Platz 1 gehievt, wo er sich seit Wochen tapfer behauptet.
Was soll «Leih mir deine Flügel» auslösen?
Dass wir uns von den himmlischen Boten beflügeln
lassen, mitten in dieser schweren und seltsamen Zeit, die Leichtigkeit zu
entdecken und für andere zu himmlischen Boten werden, die mit anpacken, wo es
nötig ist, die Hoffnung schenken, wo andere mutlos sind und die andere
ermutigen, aufzustehn gegen die Missstände in dieser Welt, weil wir als Christen
selbst aus und in der Wirklichkeit der Auferstehung leben.
Welche Themen bewegen Sie generell – und weshalb?
Alles, worüber ein Mensch sich freuen oder ärgern kann.
Meine Grundhoffnung und -motivation beziehe ich aus dem christlichen Glauben
und das kann man, wenn man genau hinhört, immer wieder gut erkennen und
aufspüren. Eines meiner wichtigsten Lieder heisst denn auch «Ich stolpre Jesus
hinterher».
Ihr erstes Album 1981 «Mensch bist Du's wirklich?»
erschien noch als LP – nächstes Jahr feiern sie 40 Jahre seit dem Erscheinen
ihres ersten Albums. Wie hat sich die christliche Musikwelt seit damals bis zu
ihrem jüngsten Werk verändert?
Kolossal! Früher, in den 1980er Jahren, gab es viel
mehr Bands und Chöre, die unterwegs waren. Heute sind es nur noch wenige, meist
Solointerpretinnen und -interpreten, die alleine oder mit einer kleinen
Besetzung unterwegs sind. Heutzutage gibt es einen grossen Split zwischen einer
Praise & Worship-Szene, einer reinen Gospelbewegung und den Liedermachern.
Es gibt einzele Solointerpretinnen und natürlich die ganze Kirchentags- und
Sacropopszene.
Gibt es ein besonderes Erlebnis, dass jemand mit einem
Ihrer Songs erlebte?
Oh ja, natürlich! Und das ist ja eigentlich das
Schönste, wenn jemand zu mir kommt und sagt: «Das und das Lied hat mir schon
sooft geholfen.» Das sind Lieder wie das oben erwähnte «Stolperlied», aber
natürlich auch Lieder wie «Sei behütet» oder «Meine Galerie» oder «Jenseits der
Zeit».
Was ist Ihr Herzensanliegen?
Dass wir Menschen die Coronakrise als Gnadenzeit
verstehen, die uns noch einmal die Möglichkeit gibt/schenkt, innezuhalten und zu
überlegen, wie wir die Zukunft dieser Welt nachhaltig und verantwortungsvoll
gestalten können.
Hier geht es zum Musikclip von «Leih mir deine Flügel»:
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Datum: 01.12.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet