«Sterbende brauchen Lebenshilfe»

Pflege eines Kranken

Die aktuellen Fälle von Beihilfe zum Suizid rücken die Bedeutung der passiven Sterbehilfe in den Hintergrund. Eine Tagung der Caritas Schweiz zeigte auf, wie viel gerade in diesem Bereich noch getan werden kann, besonders was die palliative (schmerzlindernde) Pflege betrifft. Die Neue Luzerner Zeitung berichtete darüber.

Das Beispiel von Vincent Humbert aus Frankreich hat kürzlich der Diskussion rund um die Frage der Sterbehilfe neuen Auftrieb gegeben: Die Mutter des 22-jährigen Querschnittgelähmten verabreichte ihrem Sohn eine starke Dosis Barbiturate und leistete damit aktive Sterbehilfe - eine Handlung, die nicht nur in Frankreich, sondern auch in der Schweiz nach geltendem Gesetz strafbar ist. Nicht bestraft wird in der Schweiz indessen die so genannte Beihilfe zum Suizid (Selbsttötung), wie sie insbesondere von Sterbehilfeorganisationen wie Exit und Dignitas praktiziert wird, was angesichts des wachsenden «Sterbetourismus» im Falle von Dignitas in jüngster Zeit verschiedentlich für Schlagzeilen gesorgt hat.

Möglichkeiten werden nicht ausgeschöpft

Die gross angelegte Tagung zum Thema «...sterben lassen...» wollte deutlich machen, dass es jenseits dieser «Radikallösungen» von aktiver Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid auch andere Möglichkeiten für ein Sterben in Würde gibt. Sie wurde vom Hilfswerk Caritas Schweiz in Zusammenarbeit mit CuraViva und zwei nationalen Berufsverbänden aus dem Pflegefachbereich in Luzern durchgeführt und von rund 400 Personen besucht. Dabei setzte man sich mit Fragen im Bereich der passiven Sterbehilfe und der Palliativ-Pflege auseinander. Klar wurd dabei, dass die Möglichkeiten in diesem Bereich der Sterbehilfe längst nicht ausgeschöpft sind.

Die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Studie, welche die Häufigkeiten verschiedener Formen von Sterbehilfe an über 20 000 Todesfällen in sechs europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Holland, Italien, Schweden und Schweiz) untersuchte, kam immerhin zum Schluss, dass in der Schweiz bei 28 Prozent aller Todesfälle passive Sterbehilfe praktiziert wird. Sie ist somit stärker verbreitet als in anderen europäischen Ländern.

Wichtiges Gespräch

Bei einem Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen ist die Klärung der Rolle und Aufgabe von Pflegenden und Ärzten unabdingbar. Wann liegt es im Interesse von Patientinnen und Patienten, einen Behandlungsverzicht oder Behandlungsabbruch anzuordnen? Wer entscheidet nach welchen ethischen Kriterien darüber, wann und wie man mit einer einmal begonnenen Therapie aufhört.

Die St.-Galler Pflegefachfrau Cornelia Knipping erklärte, bei den Entscheidungsprozessen der passiven Sterbehilfe und der Palliativ-Pflege sei «eine ausgereifte und bestimmte menschliche Haltung und Kommunikationskultur» eine unverzichtbare Voraussetzung, damit alle Beteiligten ethisch verantwortungsvoll agieren können. Denn: «Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun», zitierte Knipping den Titel eines Buches zur Problematik der Sterbehilfe und wies darauf hin, dass auch bei einem sterbenden Patienten letztlich «Lebenshilfe bis zuletzt» gefragt sei.

Mehr Sterbe-Hospize

Esther Schmidlin berichtet über ihre Erfahrungen im Rahmen von zwei Hospizen in Arlesheim und Villeneuve: «Trotz finanziellen, institutionellen oder auch personellen Einschränkungen ist es wichtig, immer wieder nach Lösungen zu suchen, welche die Selbstbestimmung und die bestmögliche Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zum Ziel haben.» Die palliative Pflege, bei der die Schmerzen durch vielfältige Massnahmen auf ein Mindestmass reduziert werden sollen, brauche viel Raum und Zeit. Nicht medizinische Utensilien, sondern die umfassende menschliche Betreuung des Patienten und seiner Angehörigen müsse im Vordergrund stehen, betonte Schmidlin. Sie wies gleichzeitig darauf hin, dass die in Hospizen anfallenden Betreuungskosten immer noch deutlich tiefer seien als die Kosten von hochtechnisierten Akutspitälern. Es sei darum sinnvoll, Hospize zu fördern und sie vermehrt finanziell zu unterstützen.

Quelle: Livenet/ NLZ

Datum: 08.10.2003

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