18'000 Besucher bestaunten Bibel aus dem 9. Jahrhundert
Die Handschrift aus Schafsleder hat 898 Seiten, wiegt insgesamt 22 Kilo und enthält den lateinischen Text der Bibel. Es wurde in der Abtei Saint-Martin de Tours in Frankreich hergestellt und dann der Abtei Moutier-Grandval im Kanton Bern gestiftet, die heute Teil der Stadt Moutier ist. «Spätestens seit dem 19. Jahrhundert ziehen ihre Geschichte und ihre prächtigen Illustrationen Experten in ihren Bann. Dieses mittelalterliche Meisterwerk, das im neunten Jahrhundert von einer Reihe von Mönchen abgeschrieben wurde, ist durch die Zeit und über Grenzen hinweg gereist, auf einer manchmal gefährlichen, manchmal geheimen, aber immer fantastischen Reise, um entdeckt zu werden», so das Museum für Geschichte und Kunst des Jura.
Geschützt in einer Vitrine mit genau regulierter Luftfeuchtigkeit und Temperatur, darf die Bibel von Moutier-Grandval nur von kleinen Gruppen von fünf Personen maximal fünf Minuten lang betrachtet werden. «Das Buch ist 1200 Jahre alt. Aber die Farben leuchten noch immer», schreibt Annalena Müller im «Pfarrblatt Bern». «Die Bibel wurde nie restauriert. Das ist alles original», sagt Museumsdirektorin Nathalie Fleury. Sie bekomme immer noch Gänsehaut, wenn sie das Meisterwerk betrachte.
Über 200 Schafe für eine Bibel
Karl der Grosse (gest. 814) hatte nicht nur die Christianisierung seines Riesenreichs vorangetrieben (z.B. durch Klostergründungen), sondern auch die Bildung des Volkes. «In den Klöstern wurden Schulen errichtet, in denen Latein gelehrt wurde. Dort entstanden auch Bibliotheken, die das Wissen der Antike und der eigenen Zeit aufbewahrten», so Müller. Zwei wesentliche Neuerungen ermöglichten, dieses gesammelte Wissen über mehr als ein Jahrtausend zu bewahren: Zum Einen wurde eine einheitliche, gut lesbare Schrift entwickelt – die karolingische Minuskel –, zum Anderen wurde der zerbrechliche und empfindliche Papyrus durch Pergament ersetzt, das, aus Tierhaut gefertigt, äusserst widerstandsfähig und langlebig war. Für die 449 Seiten der Moutier-Grandval-Bibel wurden denn auch die Häute von über 200 Schafen verwendet.
Überwältigende Malerei
Müller beschreibt weiter: «In der Vitrine im Museum ist das Buch Genesis aufgeschlagen. Das Titelbild ist ein künstlerisches Meisterwerk. Es zeigt Szenen der Erschaffung der Menschen bis zu ihrer Vertreibung aus dem Paradies. Das ist etwas Besonderes. Zur Zeit der Entstehung der Moutier-Grandval-Bibel waren ganzseitige Verzierungen in Bibeln eine Seltenheit. Zwar existiert die Buchmalerei seit dem 4. Jahrhundert. Damals entwickelte sich das Buch von der Schriftrolle zum Codex (die Form, in der wir es heute noch kennen). Allerdings wurden Bibeln im 9. Jahrhundert kaum derart künstlerisch verziert. Bebildert wurden damals vor allem Evangeliare. Auch hier ist die Bibel von Moutier-Grandval eine Ausnahme.»
Die Vorbereitungen für den dreimonatigen «Heimaturlaub» der Bibel von Moutier-Grandval dauerten zehn Jahre – ihre Ausstellung war ein Glücksfall für das Museum in Delsberg. Dauerhaft ist das kostbare Buch seit 1836 in der «English Library» in London aufbewahrt.
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