Die Werte der Schweiz

«Das Schweizerkreuz wird nicht verloren gehen»

Die Zehn Gebote, aber auch die Grundwerte des Neuen Testaments prägen unsere Kultur, unsere Gesellschaft und unser Staatswesen viel mehr, als wir es uns bewusst sind. Das betont Bundesrat Ueli Maurer in unserm Gespräch mit Idea Schweiz zum Nationalfeiertag. Der Chef des VBS erklärt aber auch, warum er die Schweiz liebt.
Bundesrat Ueli Maurer: Dankbar für die vielen Jahre des Friedens.
Bundesrat Ueli Maurer schätzt das christliche Fundament des Landes

«idea Spektrum»: Was bewegt Sie, wenn Sie wie jüngst vor dem Finalspiel an der U21-Europameisterschaft in Dänemark die Nationalhymne hören?

Bundesrat Ueli Maurer: Ich erachte es als Privileg, in einem Land zu leben und Verantwortung zu tragen, in dem die Menschen in Freiheit, Frieden und Wohlstand leben. All das ist für uns seit Jahrzehnten gesichert und scheint vielen selbstverständlich. Wer jedoch über die Grenzen der Schweiz und Europas hinausschaut, stellt sehr bald fest, wie schwierig die Zustände in vielen anderen Ländern sind. Der Kampf der Menschen im Nahen Osten um Freiheit und Wohlstand in den letzten Monaten hat uns dies wieder einmal vor Augen geführt. Am Fussballspiel in Dänemark hat es mich besonders gefreut, zu sehen, dass für diese jungen Männer, von denen viele einen Migrationshintergrund haben, der Einsatz für die Nationalmannschaft wichtig ist und sie mit Stolz erfüllt. Der grosse Erfolg unserer U21-Nati ist ein weiteres Beispiel dafür, dass man auch als kleines Land zu ausserordentlichen Leistungen fähig ist und aus eigener Kraft gegen die Grossen bestehen kann.

Wie oft werden Sie den Schweizerpsalm in den nächsten Tagen singen?

An Festivitäten zum Nationalfeiertag werde ich dieses Jahr keinen Mangel haben: Am 31. Juli trete ich in Wildhaus und Rorschach auf, am 1. August in Trubschachen, Bauma, Niederglatt und Bubikon. In der Armee gehören Rituale zum Alltag, und der Schweizerpsalm steht durchschnittlich zwei Mal pro Woche auf meinem Programm.

Welche Bedeutung hat der Schweizerpsalm für unsere Kultur und unsere Identität?

Schon seit jeher machen die unterschiedlichen Kulturen der Kan-
tone und der Sprachregionen die Vielfältigkeit und Stärke der Schweiz aus. Der Schweizerpsalm ist zusammen mit dem Schweizerkreuz, dem Schweizerfranken und anderen Symbolen ein starkes Zeichen für den Zusammenhalt aller Schweizerinnen und Schweizer. Der Schweizerpsalm wird in vier Sprachen gesungen von Jung und Alt, in den Städten und auf dem Land.

Gemäss jüngster Studie «Psychologisches Klima der Schweiz» lautet die nationale Losung derzeit «Mehr Schweiz denn je». Warum liegt die Schweiz den Schweizern wohl so am Herzen?

Noch in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde vieles auf grosse Gebilde wie die EU oder die UNO ausgerichtet. Das Nationale wurde entwertet. Es galt nur noch die Einheit im Grossen. Die Menschen in unserem Land sehnen sich wieder vermehrt nach dem Überschaubaren, dem Kleinräumigen. Die Erwartungen an die internationalen Organisationen wurden teilweise sehr hoch geschraubt. Viele Hoffnungen haben sich mittlerweile zerschlagen, nicht zuletzt mit der Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise. Viele Menschen kommen zum Schluss, dass internationale Gremien nicht besser geeignet sind, um die grossen Probleme unserer Zeit anzugehen, als nationale Strukturen. Dann hat es sicher auch mit dem Umgang mit den Finanzen zu tun: Während die USA und viele EU-Länder hoffnungslos überschuldet sind, konnten in der Schweiz Bund, Kantone und Gemeinden ihre Schulden in den letzten Jahren sogar abbauen.

Welche gesellschaftlichen Entwicklungen in unserm Land bereiten Ihnen Sorgen?

Unser Land lebt stark vom ehrenamtlichen Engagement des Einzelnen. In meinem Departement betrifft dies vor allem Militär, Zivilschutz und Sport. Doch auch die Kommunalpolitik oder das Sozial- und Gesundheitswesen sind darauf angewiesen, dass das Milizprinzip gelebt wird. Hier spüre ich immer wieder, dass es zunehmend schwieriger wird, Leute für die Mitarbeit zu finden. Dann komme ich nicht umhin, festzustellen, dass zunehmend für jedes Problem der Staat zu Hilfe gerufen wird. Die Zahl neuer Gesetze und Verordnungen ist teilweise erschreckend. Es ist wichtig, dass eine gesunde Skepsis gegenüber dem Staat und dem öffentlichen Eingreifen in private Belange gepflegt wird.

Wie kommt es dazu?

Der Staat hat in den letzten Jahrzehnten in immer mehr Lebensbereichen Verantwortung übernommen und entsprechend seine Verwaltungstätigkeit ausgebaut. Professionalisierung ist heutzutage «in». Mit dieser Entwicklung werden viele an den Rand gedrängt, die bis anhin ehrenamtlich engagiert waren. Ihre Tätigkeit wird entwertet. So kommt es dazu, dass sich die beiden oben erwähnten Trends gegenseitig verstärken.

Manche Medienleute und Politiker meinen, Ihre Partei, die SVP, gefährde mit ihrer Haltung zur Zuwanderung und zur Ausschaffung den sozialen Frieden des Landes. Ist die Sicherheit des Landes dadurch zunehmend gefährdet?

Die Sicherheit des Landes ist dann gefährdet, wenn der Staat seine Rechtsordnung nicht mehr durchsetzt. In weiten Teilen der Bevölkerung ist seit Längerem der Eindruck entstanden, dass Kriminalität, vor allem von Ausländern, zu wenig stark verfolgt und geahndet wird, dass im Asylbereich zu wenig konsequent verfahren wird und dass unser Land die Regulierung der Zuwanderung zu stark aus der Hand gegeben hat. Davon zeugen nicht zuletzt die Annahme der Ausschaffungsinitiative und verschärfter Asylgesetze in diversen Volksabstimmungen. Was den sozialen Frieden betrifft, wird dieser durch die starke Einwanderung der letzten Jahre einer ausserordentlichen Belastung ausgesetzt. Es ist wichtig, dass diese Sorgen ernst genommen werden.

Wie sicher fühlen Sie sich persönlich in unserm Land?

Ich fühle mich sicher in der Schweiz. Allerdings begegne ich immer wieder Menschen in unserem Land, die in ihrem persönlichen Alltag Unsicherheit verspüren und unter der zunehmenden Kriminalität leiden. Es ist wichtig, dass diese Frauen und Männer mit ihren Sorgen nicht alleine gelassen werden.

Welche Rolle spielt die Armee heute dabei, dass man sich in unserm Land sicherer fühlen kann?

Die Armee vermittelt eine Grundsicherheit. Ihr Vorhandensein bringt zum Ausdruck, dass die Schweiz ein wehrhaftes Land ist, dass sie ihre Sicherheit selber gewährleistet, dass sie sich im extremen Notfall für ihre Freiheit wehrt und dass sie dafür auch Opfer erbringt. Man muss sich aber keine Illusionen machen: Diese Armee kostet, und sie wird in Zukunft nicht billiger. Die Armee kann ihre Aufträge nur erfüllen, wenn sie gute, engagierte Leute hat und wenn man ihr die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt.

Was könnten Ihre Enkel von einer militärischen Laufbahn profitieren?

Man kann nirgends so früh im Leben so viel Führungserfahrung sammeln wie im Militär. Ein militärischer Vorgesetzter muss seine Leute an ihre Grenzen führen und kommt dabei auch selber an seine persönlichen Grenzen. Solche Erfahrungen kann man nicht hoch genug einschätzen. Ausserdem entstehen im Militär Beziehungen, die sehr lange bestehen bleiben und die einen wichtigen Beitrag leisten zum gegenseitigen Verständnis in unserem Land der vier Kulturen. Dies galt schon im letzten und vorletzten Jahrhundert, und es wird immer noch für die Enkel meiner Enkel gelten.

Junge Christen suchen oftmals nach «sinnvollen Aufgaben» und wählen deshalb eher den Weg in den Zivildienst. Was kann am Einsatz mit Sturmgewehr und Kampfanzug noch «sinnvoll» sein?

Wer Militärdienst leistet, trägt effizient und sinnvoll zum Frieden bei. Unsere Armee schützt den Frieden! Mit der Wehrhaftigkeit der Armee demonstrieren wir aber auch unsere Bereitschaft, die Freiheit der Schweiz zu verteidigen. Dazu gehört auch die Glaubensfreiheit, was nicht zuletzt den Christen zugutekommt. Weil die Schweiz zurzeit ? und wir hoffen alle noch für lange Zeit ? nicht unmittelbar bedroht ist, kann es teilweise schwierig sein, solche Zusammenhänge für sich konkret werden zu lassen. Allerdings kann man eine Armee bei einer Verschlechterung der internationalen Lage nicht von einem Jahr aufs andere völlig neu schaffen, organisieren und ausrüsten. Deshalb braucht es eine ständige Bereitschaft auch in ruhigen Zeiten. Zu dieser grossen Aufgabe müssen möglichst viele ihren Beitrag leisten.

Welche Werte kann die Armee vermitteln, welche die Kirche oder die Schule nicht vermitteln kann?

Den Zusammenhalt unter Kameraden in Extremsituationen. Einem anderen zu helfen, der nicht mehr kann. Kirche und Schule können das lehren, erleben kann man so etwas dort aber weniger.

Von den Kirchen sind nach wie vor kaum löbliche Worte für unsere Armee zu vernehmen. Wie erklären Sie sich das?

Vielleicht hat das mit der politischen Ausrichtung gewisser Kirchenvertreter zu tun. In einigen Kreisen war die Unterstützung für die Armee auch in der Vergangenheit nie besonders gross, ausser die Schweiz war gerade in einer Periode der unmittelbaren Bedrohung. Allerdings besteht über die Armeeseelsorge auch eine traditionelle, enge Verbindung zwischen den Kirchen und der Armee.

Gerne wird in der politischen Diskussion auf die «humanitäre Tradition» der Schweiz verwiesen. Welchen Beitrag leistet die Armee zur Fortführung dieser Tradition?

Die Logistik der Armee ist das Fundament vieler humanitärer Leistungen der Schweiz im Ausland. So wäre das Schweizerische Korps für humanitäre Hilfe (SKH) ohne militärische Unterstützung in seiner heutigen Form völlig undenkbar. Mit dem Kompetenzzentrum Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung in Thun leistet die Schweizer Armee ganz direkt wertvolle Hilfe für humanitäre Zwecke. Schliesslich gilt es im VBS das Labor Spiez zu erwähnen, welches in wesentlichen Bereichen des Schutzes vor atomaren, biologischen und chemischen Bedrohungen und Gefahren zu den weltweit führenden Institutionen gehört.

Wie gross ist die Bedrohung des Landes durch Islamisten heute?

Die Bedrohung durch den Terrorismus ist heute nicht staatsgefährdend. Ein Anschlag in der Schweiz, insbesondere durch einen radikalisierten Einzeltäter, kann aber nie ausgeschlossen werden. Sieht man von solchen Einzelereignissen ab, sehe ich eigentlich keine übergeordnete gesellschaftliche Bedrohung durch den Islamismus. Dieses Gedankengut steht unserer Freiheit und Selbstbestimmung diametral entgegen. Die freie Schweiz ist eine langjährige Erfolgsgeschichte. Solange wir uns dieser Geschichte und der Bedeutung der Freiheit bewusst bleiben, sehe ich keine Gefahr.

Wie gross ist der Anteil nichtchristlicher Offiziere und Wehrmänner in der Armee?

Wir führen keine Statistik über die Religion der Armeeangehörigen. Wahrscheinlich ist der Anteil muslimischer Armeeangehöriger im Steigen begriffen. Unabhängig von der Religionszugehörigkeit besteht für alle Schweizer die Pflicht, in der Armee Dienst zu leisten. Die Bereitschaft und das Engagement dazu hängen in aller Regel nicht von der Religion ab.

Können Sie sich vorstellen, bald auch muslimische Militärseelsorger einzusetzen?

Nein.

Die Schweizerfahne enthält ein eindeutig christliches Symbol. Wird es auch in einer zunehmend multireligiösen Schweiz zu halten sein?

Davon bin ich überzeugt. Bereits im Jahr 1339, in der Schlacht bei Laupen, verwendeten die alten Eidgenossen das weisse Kreuz als Feldzeichen. Dieses Symbol für die Schweiz, das eindeutig einen christlichen Ursprung hat, ist zu stark verankert, als dass es auch in einer Zeit des religiösen Pluralismus verloren gehen könnte. Gerade das Revival der Schweizerfahne in den letzten Jahren zeigt, dass auch im 21. Jahrhundert die emotionale Verbundenheit mit dem Kreuz genauso stark ist wie in früheren Zeiten.

Viele Schweizer sehen die Geschichte unseres Landes nach wie vor von einer christlichen Leitkultur geprägt. Was taugt diese Kultur zur Bewältigung unserer Zukunft?

Die Schweizer Gesellschafts- und Rechtsordnung, welche unserem Land Freiheit, Friede und Wohlstand ermöglicht hat, baut in grundlegenden Punkten auf einem jüdisch-christlichen Ursprung auf. Die Zehn Gebote, aber auch die Grundwerte des Neuen Testaments prägen unsere Kultur, unsere Gesellschaft und unser Staatswesen viel mehr, als wir es uns bewusst sind. Gerade weil wir die Zukunft nicht kennen, lehrt uns die Vergangenheit, am Bewährten festzuhalten. Die christlichen Grundwerte haben der schweizerischen Eidgenossenschaft jahrhundertelang als wichtige Orientierungshilfe gedient und werden auch in Zukunft Früchte tragen.

An welchen christlichen Werten sollte die Schweiz auf jeden Fall festhalten?

Die Achtung des Menschen, der Schutz seines Lebens, der Respekt vor dem Eigentum, eine Kultur der Wahrheit und Ehrlichkeit, der Zuverlässigkeit, der Eigenverantwortung und der Bescheidenheit. Die Schweiz baut auf christlichen Werten. Aus diesem Fundament soll nichts herausgebrochen werden.

In einer Ansprache in Einsiedeln haben Sie kürzlich Gottfried Keller zitiert: «Achte jedes Mannes Vaterland, aber das deinige liebe.» Warum lieben Sie die Schweiz?

Ich liebe die Schweiz, weil hier alle als freie Menschen leben können, weil wir seit Jahrhunderten mit unseren Nachbarn und der Welt im Frieden leben und weil es uns gelungen ist, die notwendigen Lebensgrundlagen für alle Menschen bereitzustellen. Unser Land bietet fantastische Möglichkeiten. Wer sich anstrengt, kann ? auch wenn er aus einfachsten Verhältnissen kommt ? sehr viel erreichen.

Welche Schweiz möchten Sie Ihren Enkeln als Bundesrat überlassen können?

Ein Land, das eine sichere Zukunft in Freiheit und Wohlstand gewährleistet. Eine Schweiz, die weiterhin auf ihren bewährten Säulen Souveränität, direkte De-
mokratie, immerwährende Neutralität, Föderalismus und Subsidiarität baut. Ein Land mit Menschen, die eigenverantwortlich handelnde Bürger sind und ihre weitreichenden Mitbestimmungsrechte wahrnehmen zum Wohle des Ganzen, und deren Privateigentum, Privatsphäre und Familienleben geschützt werden. Ein Land mit einer einsatzbereiten Armee mit dem Kernauftrag der Landesverteidigung und dem Schutz der eigenen Bevölkerung.

«Betet, freie Schweizer, betet», heisst es im Schweizerpsalm. Wofür sollen die Schweizerinnen und Schweizer am 1. August beten?

Als Chef des VBS bin ich sehr dankbar dafür, dass wir unsere Armee seit vielen Jahrzehnten nicht mehr in den Krieg schicken mussten. Ich hoffe, dass der Friede auch im 721. Jahr und in vielen folgenden Jahren des Bestehens der Schweizerischen Eidgenossenschaft bestehen bleibt. Ich danke allen, die sich auf irgendeine Art dafür einsetzen!

Bundesrat Ueli Maurer

Geboren am 1. Dezember 1950, verheiratet, 6 Kinder (Jahrgang 1978 -1997), Bürger von Adelboden BE und Hinwil ZH. Kaufmännische Lehre, danach 20 Jahre Geschäftsführer einer landwirtschaftlichen Genossenschaft und 14 Jahre Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbandes. Politik: 1978 -1986 Gemeinderat in Hinwil, 1983 -1991 Kantonsrat in Zürich, 1991 -2008 Nationalrat, 1996 -2008 Präsident der SVP Schweiz. Am 10. Dezember 2008 Wahl in den Bundesrat. Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Hobbys: Biken, Skilanglauf. Fährt mehrmals pro Woche von seinem Wohnort Münsingen aus mit dem Bike zum Bundeshaus. Sein Motto: «Einmal (Militär-)Radfahrer, immer Radfahrer!»

Dieses Interview wurde von «ideaSpektrum» zur Verfügung gestellt. IdeaSpektrum Abo

Datum: 14.07.2011
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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