Digitale Kreuzritter verbreiten Hass
Der katholische Theologe David Berger war angesehen in konservativen Kreisen. Bis er sich im Jahr 2010 öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte. Nach seinem Outing brach eine heftige Hasskampagne über ihn herein – in erster Linie geführt vom radikalkatholischen Hetzportal «kreuz.net», einer Internetseite, die online Hass gegen Juden und Homosexuelle verbreitet. Und dabei keine Grenzen kannte. Nach dem Tod des deutschen Schauspieler Dirk Bach anfangs Oktober 2012 veröffentlichte die Seite den Nachruf: «Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle.»
Wer sind diese Menschen, die in der Anonymität des Internets Glaubenskrieg führten? «Es sind keine esoterischen, sektiererischen Grüppchen, wie man lange angenommen hat», so David Berger. «Es sind ganz normale Diözesanpriester, die für ihre Diözesen arbeiten und sich da nebenbei ganz intensiv betätigen, das Klima in der katholischen Kirche mit Hass zu vergiften.»
Hervorragend organisiert
Einer dieser «normalen Priester» ist Pfarrer Hendrick Jolie aus dem Bistum Mainz. Er war eben noch fleissiger Schreiber auf «kreuz.net». Diese Aktivitäten brachten Jolie nur eine Zurechtweisung des Kardinals ein. «Es gab ein sehr offenes Gespräch mit den Vertretern des Bischofs», sagt Jolie. «Es folgte meine Entschuldigung für unkluges Verhalten im Hinblick auf diese Seite. Daraufhin hat der Bischof mir einen Brief geschrieben, dass er die Entschuldigung annehme.» Mehr passierte nicht.
Der homosexuelle Theologe David Berger geht davon aus, dass «kreuz.net» Beziehungen bis in den Vatikan pflegt. «Ein Pfarrer aus Aachen hat mir mal geschrieben, in Rom sei es üblich, dass man, bevor man die Fensterläden aufmacht, erst einmal auf «kreuz.net» liest, was es Neues in Deutschland gibt.» Doch innerhalb der Kirche gibt es auch Widerstand gegen diese Fundamentalisten.
Beispielsweise in Chur: «Hier geht es nicht darum, was die Kirche von Homosexualität hält», sagt Giuseppe Gracia, Sprecher des Bistum Churs. «Wichtig ist: Was hält die Kirche von Diskriminierung? Die Kirche muss eine klare Aussage treffen, was sie davon hält – nämlich nichts.»
Kopfgeld auf die Hass-Reporter ausgesetzt
Seit längerem wird wegen Volksverhetzung gegen die Betreiber dieser Internetseite ermittelt. Einfach zu fassen sind sie aber nicht: «Das Problem ist, dass die Schreiber zumeist im Ausland sitzen oder die Seiten von ausländischen Servern betrieben werden», erklärt Markus Winkler von der Staatsanwaltschaft Berlin. Der Homosexuellen-Verlag «Bruno Gmünder» startete die Initiative «Stoppt kreuz.net» und setzte ein Kopfgeld von 15'000 Euro auf die Macher aus. David Berger koordiniert die Aktion. Inzwischen konnten die Namen von sechs Verdächtigen ausfindig gemacht und an die Staatsanwaltschaft übergeben werden.
Übrigens: Seit letztem Sonntag ist die Internetseite «kreuz.net» offline. Denkbar sei, dass die Betreiber eine Weile in Deckung gehen und auf ein Abflauen des medialen Sturms hoffen. Oder sie planen einen Umzug von Domain und Server oder gar einen kompletten Neuaufbau unter neuem Namen, sagte Berger der «Kölner Zeitung».
Datum: 07.12.2012
Autor: Tobias Müller
Quelle: Livenet / 3sat