Mord im Vatikan: Neues Buch wirft neue Fragen auf

Vatikan

Paris. Zwei französische Staranwälte bezweifeln die offizielle Version des Schweizergarde-Mordes am 4. Mai 1998 und stellen einen Zusammenhang mit dem Papstattentat 1981 her.

"Ermordet im Vatikan" lautet der Titel des Buches, das der Frage nachgeht, was am 4. Mai 1998 im Kirchenstaat geschah. Das Werk erscheint in einem Monat in italienischer Sprache und wurde von den französischen Staranwälten Jacques Verges und Luc Brossollet verfasst, die die Mutter des mutmaßlichen Täters Cedric Tornay vertreten.

Doppelmord aus "gekränktem Stolz"

Die offizielle Version der Bluttat: Der 23-jährige Cedric Tornay, Vizekorporal der Schweizergarde, soll Garde-Kommandant Alois Estermann (43) und dessen venezolanischer Ehefrau Gladys Meza Romero (49) waren am 4. Mai 1998 in Estermanns Wohnung im Vatikan ermordet haben - in einem Anflug von Wahnsinn "aus gekränktem Stolz" begangen, nachdem er bei einer Beförderung übergangen worden war. Anschließend habe er sich selbst das Leben genommen.

Mutter glaubt nicht an Selbstmord

Tornays Mutter bezweifelt das jedoch: Der ihr vom Vatikan ausgehändigte "Abschiedsbrief" ihres Sohnes sei eine plumpe Fälschung. In einem am Donnerstag in der Tessiner Zeitung "La Regione" veröffentlichten Interview schloss Tornays Mutter einen Selbstmord ihres Sohnes kategorisch aus. Sie habe zusammen mit den Anwälten viereinhalb Jahre recherchiert und sei zum Schluss gekommen, dass es ein Komplott gegeben habe, mit dem Ziel, Estermann und dessen Frau zu eliminieren. Ihr Sohn sei da nur "zufällig" hineingeraten: "Er hat wahrscheinlich etwas gesehen oder gehört, was er nicht hätte wissen dürfen."

Estermann – der Retter des Papstes ?

Baudat ist überzeugt, dass Estermanns Tod mit dem Attentat auf den Papst im Jahre 1981 zusammenhängt. "Estermann galt als Held, der den Papst mit seinem eigenen Körper beschützt hat. TV-Bilder zeigen aber, dass er in Wirklichkeit zum Zeitpunkt des Attentats über 100 Meter vom Heiligen Vater entfernt war." Das Attentat habe Estermanns Karriere zweifellos gefördert. "Ich bin überzeugt, dass Estermann heute noch leben würde, wenn er auf das Amt des Kommandanten verzichtet hätte", sagt Baudat.

Massiver Druck des Vatikan

Sie selber fürchte auch um ihr Leben. Die Kurie habe sie oft einzuschüchtern versucht. Die Tatsache, dass sie wichtige Beweise und Dokumente in einem Banksafe deponiert habe, lasse sie etwas ruhiger schlafen. Nach einem Bericht des französischen Nachrichtenmagazins "L'Express" erschienen der Nuntiatursekretär in Bern, Battista Ricca, und ein Schweizer Armeeoffizier mehrmals in der Wohnung von Muguette Baudat im Kanton Wallis und legten ihr in "sehr deutlicher Weise" nahe, jeden Kontakt zur Presse zu meiden.

Stasi-Spitzel im Vatikan ?

Nach verschiedenen deutschen Presseberichten, die sich auf Unterlagen der Gauck-Behörde beriefen, soll Estermann Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes gewesen sein, dem er sich selbst 1979 angeboten habe. Von der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des Ostberliner Staatssicherheitsministeriums (MfS) sei Estermann unter dem Decknamen "Werder" geführt worden.

Datum: 09.08.2002
Quelle: L'Express

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