80 Jahre Ausbildung für Gottes Erntefelder
Felix E. Aeschlimann, was waren die wichtigsten Meilensteine in der Geschichte des sbt Beatenberg?
Felix E. Aeschlimann: Ein bedeutender Meilenstein war sicher der Kauf des damaligen Hotels Victoria in Beatenberg. In der Belle Époque erlebte es seine Blütezeit als Grandhotel, doch nach dem Ersten Weltkrieg konnte es nie wieder an seine frühere Pracht anknüpfen und wurde 1948 versteigert. Heute dienen die Gebäude und das weitläufige Gelände dem sbt als Schulcampus. Zudem beherbergt das sbt Gästehaus in einem Grossteil des ehemaligen Hotels Menschen aus aller Welt.
Weitere wichtige Entwicklungsschritte waren der Bau der Aula (1957), des Personalhauses mit Wäscherei (1991) sowie viele grosse Umbauten und Renovationen.
Im Jahr 2003 war aus wirtschaftlichen Gründen eine umfassende Umstrukturierung des gesamten Hotelbetriebs nötig. Dabei musste rund die Hälfte des Personals entlassen werden. Diese schwierige Situation zwang uns, neue Wege zu gehen – was sich rückblickend als grosser Segen herausstellte. Gleichzeitig wurde die Schule akademisch neu aufgestellt. 2008 erhielten wir die Akkreditierung auf Bachelorniveau durch die ECTE.
Welche Rolle spielte das sbt ursprünglich – und wie hat sich diese im Lauf der Zeit gewandelt?
Die Gründer unserer Schule wollten unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg Evangelisten und Missionare ausbilden, die das Evangelium einem zerstörten und desillusionierten Europa verkündigen sollten. Interessanterweise gab es in den Anfangsjahren jedoch mehr Absolventen, die in Übersee tätig waren, als es heute der Fall ist. Durch den treuen Dienst von Absolventinnen und Absolventen durften weltweit unzählige Menschen zum Glauben an Christus finden. Der Paradigmenwechsel in den missionarischen Aktivitäten hat in den letzten Jahrzehnten den Fokus auf Europa gerichtet, das heute weniger bekennende Christen hat als viele der ursprünglich klassischen Missionsländer. Nicht nur wir, sondern auch Christen aus jenen Ländern sehen in Europa eine grosse geistliche Not. Europa – und die ganze Welt – braucht das Evangelium Gottes. Dafür bilden wir Menschen aus.
Gibt es ein Ereignis in der Geschichte des sbt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Während meiner Zeit war das sicherlich die Corona-Krise, in der uns die Behörden (aus meiner Sicht unsinnigerweise) den Präsenzunterricht verboten, den Studierenden jedoch erlaubten, gemeinsam in den Speisesälen ihre Mahlzeiten einzunehmen. Weit schlimmer wirkte sich jedoch die ständige Aufforderung in den Medien aus: «Bleiben Sie zu Hause, meiden Sie touristische Gebiete!» Wir beherbergten praktisch keine Hotelgäste mehr. Die Einnahmen brachen ein, und wir wussten nicht, wie lange wir das durchhalten würden. In dieser schwierigen Zeit haben wir als Schule jeden Freitagmittag gebetet und gefastet – und Gottes Wunder erfahren: Die Solidarität vieler Christen, die uns finanziell unterstützten! Wir durften gestärkt aus der Krise gehen.
Welche Bedeutung hat das sbt für die christliche Bildungslandschaft in der Schweiz und Deutschland?
Jesus bemerkte vor 2000 Jahren: «Die Ernte ist gross, aber es gibt nur wenige Arbeiter!» Momentan haben wir 90 Vollzeitstudierende in drei Jahrgängen und zwei Studiengängen. Damit leisten wir einen bedeutenden Beitrag zur theologischen Ausbildung in der evangelischen Landschaft. Wir freuen uns, den Kirchen im In- und Ausland gut ausgebildete und talentierte Männer und Frauen zur Verfügung stellen zu können, die in den Erntefeldern Gottes aktiv sind.
Was unterscheidet das sbt Beatenberg Ihrer Meinung nach von anderen Ausbildungs- oder Begegnungsstätten?
Jede Ausbildungsstätte setzt gezielt eigene Schwerpunkte, auch in der Art und Weise wie Studierende unterrichtet und gefördert werden. Hier sind die Merkmale, die das sbt auszeichnen:
- Ein kompaktes Vollzeitstudium mit Präsenzunterricht, was für die Studierenden einen grossen Vorteil darstellt, da sie sich ganz auf das Lernen konzentrieren können und zudem viel aus dem Austausch innerhalb der Schul- und Wohngemeinschaft mitnehmen.
- Eine klar an den altkirchlichen und evangelischen Bekenntnissen ausgerichtete bibelorientierte sowie praxisbezogene Theologie.
- Eine Ausbildung, die nicht nur vermittelt, was wir glauben und wie wir das Evangelium verständlich lehren, sondern auch klar erläutert, warum wir glauben und weshalb Verstand und Glauben sich nicht widersprechen.
- Ein international anerkannter Abschluss in Theologie.
- Die Möglichkeit, in einem gesonderten Studiengang während ein oder zwei Semestern mehr Gemeinschaft und praktische Erfahrung zu geniessen – und das auf dem gleichen akademischen Niveau wie beim dreijährigen Studiengang Evangelische Theologie.
- Das Privileg, in einer der schönsten Regionen der Schweiz zu studieren, die viele Freizeitmöglichkeiten bietet.
- Die Chance, in einer internationalen Gemeinschaft von Studierenden und Mitarbeitenden an Teamfähigkeit und Charakter zu wachsen und Freundschaften zu schliessen.
- Der Komfort eines grosszügigen Campus mit schönen Studentenzimmern inklusive Wäscheservice und einer Hotelküche – und das zu ausgesprochen günstigen Preisen.
Was bedeutet das 80-jährige Jubiläum für Sie persönlich?
Ich bin beeindruckt von dem, was Gott weltweit durch die zahlreichen Absolventinnen und Absolventen bewegt hat und weiterhin bewegt. Dafür bin ich Gott sehr dankbar, der diese Schule so lange bewahrt und gesegnet hat und sie zum Bau seines Reiches sowie zur Verherrlichung seines grossartigen Namens einsetzt.
Wie sehen Sie die Rolle des sbt in den kommenden 10 bis 20 Jahren?
Vor 100 Jahren standen Christen der sogenannten liberalen Theologie gegenüber, die das Fundament des christlichen Glaubens untergrub. Diese Strömung wies das Übernatürliche zurück und führte zu einem tiefen Unglauben. Reinold Niebuhr fasste es treffend zusammen: «Ein Gott ohne Zorn brachte Menschen ohne Sünde in ein Königreich ohne Gericht durch den Dienst eines Christus ohne Kreuz.» Was in dieser Theologie für die kirchliche Verkündigung übrigblieb, waren blosse moralische Appelle, bessere Menschen zu werden – ohne die Erlösung durch Jesus Christus und ohne die Kraft des Heiligen Geistes. Begriffe wie Sünde, Schuld, stellvertretender Gehorsam und Tod von Jesus, Sühne, Vergebung, Himmel und Hölle wurden als eine Art menschliche Selbsttherapie oder moralisches Vorbild interpretiert. Das Evangelium wurde dadurch ausgelöscht, und die Kirchen blieben leer.
Martin Luther betonte, dass das Evangelium in jeder Generation neu verteidigt werden muss, denn die Gefahr, dass diese wunderbare Botschaft verwässert oder gar zerstört wird, besteht immer. So wie es die Reformatoren vor 500 Jahren taten und die Evangelikalen vor 100 Jahren, sind auch wir gefordert, das Evangelium zu bewahren und zu verteidigen.
Wir brauchen Christen, die ihren Glauben unerschütterlich allein auf die Wahrheit von Gottes Wort gründen. Wir dürfen das Evangelium nicht in einen unerträglichen Moralismus oder in eine Selbsttherapie verwandeln, sondern müssen es zwar verständlich und modern verkünden – aber im Kontext menschlicher Schuld und Scham, ohne dabei den Kern der Botschaft zu verändern. Die gute Nachricht bleibt: Gott rettet Sünder! Ich hoffe sehr, dass das sbt diesem Auftrag auch in den kommenden Jahrzehnten treu bleibt. Dazu braucht es Mut und Weisheit.
Was spricht dafür, dass jemand heute am sbt (oder an einem anderen Ort) eine theologische Ausbildung durchläuft?
Mein Rat an junge Menschen ist immer derselbe: Wenn du jung bist, solltest du drei Dinge tun: Verlasse deine Komfortzone, entdecke neue Länder und Kulturen, investiere in deine Ausbildung. Damit kann man nichts falsch machen. Wer am sbt studiert, verlässt tatsächlich seine gewohnte Umgebung – sei es die Gemeinde, den Arbeitsplatz, den Wohnort oder das Elternhaus – und sammelt dabei unbezahlbare, wertvolle Lebenserfahrung.
Studierende aus dem Ausland lernen am sbt eine neue Sprache und Kultur kennen, während Studierende aus der Schweiz in eine internationale Gemeinschaft eintauchen, die sie nachhaltig prägt. Und letztendlich ist jede Ausbildung wertvoll, doch das Studium der Theologie – also das Erforschen von Gottes Wesen, seinen Taten und Plänen – ist für Christen von unschätzbarem Wert, denn Theologie (Gotteserkenntnis) bedeutet ewiges Leben! (Die Bibel, Johannes Kapitel 17, Vers 3). Sie können nichts Besseres tun, egal ob sie später in einem vollzeitlichen kirchlichen Dienst arbeiten oder nicht.
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Autor:
Daniel Gerber
Quelle:
Livenet