Als Fazit einer soeben beendeten Afrikareise fordert der Kirchenexperte eine bessere Bibelpastoral auf dem Schwarzen Kontinent. "Unseren Gemeinden laufen die Leute weg", zitiert der Generalsekretär katholische Bischöfe in Afrika. Laut einer Erhebung des US-Statistikexperten David Barrett stieg die Zahl der "Independents", also freikirchlichen Gläubigen, zwischen 1990 und 2000 um mehr als 20.000 auf rund 84.000. Zu attraktiv erscheinen vielen Afrikanern die Angebote pfingstlerisch-charismatischer Bewegungen. "Einfachste Rezepte" aus der Bibel würden dort geboten mit dem Versprechen, damit das Leben bewältigen zu können, betont Schweitzer. Das Grundmuster ist immer gleich: Armut und Krankheit werden als Folge von Sünden der Vorfahren oder eigener Schuld gedeutet. Dazu werden gezielt Bibelstellen ausgewählt, "mit denen man eigentlich alles erklären und rechtfertigen kann", wie der KBF-Generalsekretär betont. Die 1969 gegründete KBF ist ein Zusammenschluss von 300 Organisationen in 126 Ländern, die auf dem Gebiet der Bibelpastoral arbeiten. Die unterschiedlichsten Forderungen werden mit Hilfe der Bibel begründet, mal die Vielehe, mal die Einehe, Unterdrückung von Frauen oder die Höherstellung eines Stammes über einen anderen. Katholische Gemeinden hätten es schwer, einer fundamentalistischen Bibelauslegung Paroli zu bieten. Zu wenig sei der Umgang mit der Bibel dort verankert, noch zu sehr stünden Katechismus und Lehrsätze im Vordergrund. "Bei den Evangelikalen bekomme ich die Bibel in die Hand und darf sie lesen", bekämen katholische Pfarrer von "Abtrünnigen" zu hören. In "small christian communities", einer Art Basisgemeinde, sieht der KBF-Generalsekretär einen viel versprechenden Weg für afrikanische Katholiken. Dort werde die Heilige Schrift gemeinsam gelesen und ausgelegt, wie es auch der afrikanischen Tradition entspreche. Für "dynamisch-dialogische" Gespräche über Bibeltexte werden Moderatoren speziell ausgebildet. "Damit können Fundamentalisten nichts anfangen", urteilt Schweitzer. Er macht bereits einen leichten Trend zur Rückkehr zu katholischen Gemeinden aus. Einen genauen Blick auf die charismatisch-evangelikalen Bewegungen empfiehlt die Theologin Katja Heidemanns vom internationalen katholischen Missionswerk "missio" in Aachen. Nicht alle Bewegungen lockten mit US-Dollars und speisten die Menschen mit einfachen Rezepten ab. Vielmehr kämen die evangelikalen Bewegungen Bedürfnissen nach, die in den katholischen Gemeinden Afrikas mit ihren laut Barrett-Statistik mehr als 120 Millionen Mitgliedern nicht befriedigt werden. "Frauen etwa wollen eben einen eigenen Zugang zur Bibel finden." Dafür habe die Schrift in vielen traditionell katholischen Gemeinden noch zu geringen Stellenwert. Umdenken müssten Gemeinden auch mit Blick auf allein erziehende Frauen, die dort kaum Aufnahme fänden. Auch der Sehnsucht, Heil und Heilung zu finden, werde in katholischen Gottesdiensten weithin nicht Rechnung getragen. "Die grossen Kirchen müssen sich noch viel stärker inkulturieren in Afrika", fordert Heidemanns. Text leicht gekürzt durch Livenet Autor: Uwe RenzBibel zu wenig verankert
Unbefriedigte Bedürfnisse
Datum: 12.08.2004
Quelle: Kipa