Ferieninitiative (Pro)

Damit die Menschen mehr «stille Zeit» haben

Heute haben Arbeitnehmer Anspruch auf mindestens vier Wochen Ferien pro Jahr. Die Ferieninitiative, über die das Schweizer Volk am 11. März 2012 abstimmt, fordert «6 Wochen Ferien für alle». Wer will nicht mehr Ferien? Ein geschlossenes Bündnis der Bürgerlichen sowie die Arbeitgeber und die Wirtschaft lehnen die Initiative ab. Linke stehen der Initiative positiv gegenüber. Auch unter christlichen Politikern ist die Initiative umstritten. Wir bringen hier Pro und Kontra.
Philipp Hadorn

Stress im Alltag

Berufliche Belastungen nahmen in den letzten Jahren enorm zu. Hoher Wettbewerbsdruck und rasante Technologieschübe führen zu steigendem Termindruck, höherem Arbeitstempo und Wegfall von Verschnaufpausen. Gleichzeitig wird zunehmend eine «Verfügbarkeit rund um die Uhr» erwartet, und die Fehlertoleranz nimmt ab. Sechs Wochen Ferien für alle verlangt nun die gleichnamige Volksinitiative - faktisch für unter 50-Jährige sechs Ferientage mehr, für ältere drei Tage. Körper, Seele und Geist brauchen Erholung von Hektik und Komplexität im Arbeitsalltag.

Ein Blick zurück

Eine Höchstarbeitszeit wurde 1848 im Fabrikgesetz (Kanton Glarus) mit 78 Stunden pro Woche, 1887 im eidgenössischen Fabrikgesetz mit 66 und seit 1924 (gemäss damaliger gewerkschaftlicher Forderung) mit 48 Stunden im Gesetz festgelegt. Ein gesetzlicher Ferienanspruch gibt es seit 1900 für Eisenbahnangestellte: 8 Tage pro Jahr, ein «genereller» seit 1964 von drei Wochen, seit 1984 von vier Wochen.

Die Akteure

Bei jeder gesetzlichen Festlegung von Ferienansprüchen und Höchstarbeitszeiten leg(t)en Gegner dar, dass dies zu Verlust von Arbeitsplätzen und zu einer Schwächung des Werk- und Wirtschaftsstandortes führe. Tatsache ist: Über all die Jahrzehnte hat sich die Schweiz ökonomisch überdurchschnittlich entwickelt, und ein Mittelstand ist entstanden.

Die Kosten

Heute macht Arbeitsbelastung krank und ist teuer. 80 Prozent der Arbeitnehmenden leiden unter Stress, Gesundheitsprobleme nehmen zu und 20 Prozent der Männer sind kurz vor der Pensionierung IV-Rentner. Kosten:
10 Milliarden Franken pro Jahr (= 2 Prozent des BIP). Eine Woche mehr Ferien kostet rund 6 Milliarden Franken pro Jahr. Die Übergangsfrist von fünf Jahren bis 2018 verteilt die Kosten auf etwa 0,4 Prozent pro Jahr.

Die Christen

Nachfolger Christi haben seit jeher den Schutz des Menschen gegenüber kurzfristigem Profit in den Vordergrund gestellt. Entscheidend haben Christen jegliche Form traditioneller und neuer Formen von Sklaverei, Ausbeutung und Missachtung der Menschenwürde bekämpft und zur Entwicklung eines Schutzes für Lohnabhängige beigetragen.

Die vielfältigen Ansprüche der Arbeitswelt gefährden zunehmend gesunde soziale Strukturen in Beziehungen und Familien und erschweren auch das Gemeinde- und Vereinsleben.

Sechs Wochen Ferien für alle, lieber eine Woche pro Jahr mehr «Timeout» statt Burnout: Das ist ein kleiner, aber lohnender Schritt als Beitrag für eine «bessere» Gesellschaft - auch für mehr Ruhe und Stille vor Gott. Das soll uns unsere Beziehung zu Gott wert sein!

Ferien-Initiative: Darum geht es am 11. März

Die am 11. März zur Abstimmung kommende Volksinitiative «6 Wochen Ferien für alle» will in der Bundesverfassung einen neuen Artikel mit folgendem Wortlaut verankern: «Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlte Ferien von jährlich mindestens sechs Wochen.» Bundesrat sowie National- und Ständerat lehnen die Volksinitiative ab. SP und Grüne befürworten die Initiative, BDP, CVP, EDU, EVP, FDP und SVP lehnen sie ab.

Die Initiative ist auch unter engagierten Christen stark umstritten. Das zeigt das Pro und Kontra auf dieser Seite: Nationalrat Philipp Hadorn gehört der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Gerlafingen an, Nationalrat Erich von Siebenthal der EMK Gstaad.


Diesen Artikel hat uns freundlicherweise «Idea Spektrum Schweiz» zu Verfügung gestellt.

Philipp Hadorn ist Nationalrat der SP und Gewerkschaftssekretär. Er wohnt in Gerlafingen SO und gehört der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Gerlafingen an.

Lesen Sie auch den Kontra-Standpunkt zur Ferieninitiative:

Erich von Siebenthal: «Mehr Ferien lösen Stressproblem nicht»


Zum Thema:
Ferieninitiative - Darum geht es am 11. März

Datum: 21.02.2012
Autor: Philipp Hadorn
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

Werbung
Livenet Service
Werbung