«Mehr Ferien lösen die Stressprobleme nicht»
Nationalrat Erich von Siebenthal (Kontra):
«Mehr Ferien lösen Stressprobleme nicht»
Die Initianten begründen ihre Forderung damit, die Belastung am Arbeitsplatz habe durch den wirtschaftlichen Strukturwandel stark zugenommen. Über 80 Prozent der Arbeitnehmenden würden unter Stress und Arbeitsdruck leiden. Die Folgen seien vielfältige Gesundheitsprobleme, die die Schweiz jährlich rund 10 Milliarden Franken kosten.
Ist die Arbeit ungesund?
Wenn das so wäre, müssten wir der Initiative sofort zustimmen. Diese Gesundheitskosten von 10 Milliarden sollten wir dann für Notwendigeres einsetzen. Ich frage Sie aber: Würden diese 10 Milliarden wirklich wegfallen? Und ist die Arbeit wirklich so gesundheitsschädigend? Oder gibt es nicht andere Einflüsse, die uns strapazieren? Wir müssen uns doch zuerst einmal fragen: Wie gehen wir mit der verfügbaren Zeit um?
Woher das Geld?
Sechs Wochen Ferien seien verdient und wirtschaftlich tragbar, sagen die Initianten. Dass sechs Wochen Ferien verdient wären, dafür habe ich Verständnis. Und die ganze Freizeitbranche (Arbeitsplätze) würde ja noch profitieren. Aber wie ich es schon im Elternhaus gelernt habe, ist es auch bei dieser Initiative: Zuerst muss das Geld verdient sein, bevor man es ausgeben kann! Bei gleichem Lohn zwei Wochen mehr Ferien - ist das gegenüber dem Arbeitgeber die richtige Haltung?
Höhere Lohnkosten
Die Wirtschaftslage ist auch in unserem Land angespannt. Der starke Franken ist für viele Unternehmungen eine sehr grosse Herausforderung. Wir sollten dankbar sein für jeden Arbeitsplatz, den wir haben. Und da stellt sich die Frage: Ist es jetzt wirklich sinnvoll, sechs Wochen Ferien zu erzwingen? Wollen wir darauf hinarbeiten, dass unsere Unternehmungen langsam geschwächt werden? Mit dieser Initiative arbeiten wir daran. Wer trägt denn in Zukunft die Volkswirtschaft und unsere Sozialwerke? Im Vergleich zum Ausland sind die Arbeitsbedingungen in der Schweiz gut. Man rechnet bei einer Annahme der Initiative mit einer Zunahme der Lohnkosten von 2 Prozent. Somit gibt es eine zusätzliche Teuerung und die Gefahr, dass es gerade bei wenig qualifizierten Berufen vermehrt Arbeitslose geben wird, ist gross.
Massgeschneiderte Lösungen
Das bewährte System der Sozialpartnerschaft ist eine wertvolle und wichtige schweizerische Errungenschaft. Sie ermöglicht den Vertragsparteien, massgeschneiderte Lösungen zu finden. In vielen Branchen hat man sich zum Beispiel darauf geeinigt, dass zwei zusätzliche Ferienwochen für über 50-Jährige sinnvoll und wirtschaftlich verkraftbar sind. Solche partnerschaftlichen Lösungen sind nur möglich, weil die Vertragsfreiheit den nötigen Spielraum gibt.
Als Christen stehen wir in der Verantwortung, ausgewogene Lösungen zu finden. Den Arbeitsfrieden dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind aufeinander angewiesen. Die Initiative spaltet. Bleiben wir beim Bewährten - darum Nein zur Ferien-Initiative!
Erich von Siebenthal ist Nationalrat der SVP. Er wohnt in Gstaad BE und gehört der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Gstaad an.
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Datum: 21.02.2012
Autor: Erich von Siebenthal
Quelle: ideaSpektrum Schweiz