Notfallseelsorge Schweiz

«Ein Mensch, der für mich da ist – das ist schon eine Botschaft»

Pfarrer Beat Weber wurde 2016 aus dem Emmentaler Pfarramt und dem kantonal-bernischen Care Team verabschiedet. Gleichwohl engagiert er sich weiterhin mit Herzblut für die Notfallseelsorge. Er ist mit einem Teilzeitpensum Geschäftsführer des Dachverbands
Beat Weber
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«Care Teams | Notfallseelsorge Schweiz». Ein Gespräch über die Begleitung von Menschen in akuter Not, Momente der Ohnmacht und welche Rolle der Glaube dabei spielen kann.Livenet: Beat Weber, weshalb engagieren Sie sich so stark in der Notfallseelsorge?
Beat Weber:
Ich war während meiner Zeit als Gemeindepfarrer in Linden (1994–2016), in den letzten rund 15 Jahren, aktiv im Care Team des Kantons Bern. Es war mir wichtig, Menschen in akuten Notsituationen beizustehen; ich habe diesen Dienst nicht einfach nebenher getan, sondern als Teil meiner Beauftragung als ordinierter Pfarrer gesehen. Heute bin ich nicht mehr in einem Gemeindepfarramt und auch nicht mehr an der Care-Team-Front, sondern arbeite in verschiedenen Bereichen, u.a. mit einem kleinen Pensum als Geschäftsführer von «Care Teams | Notfallseelsorge Schweiz» (CNS). Die bisherige «Arbeitsgemeinschaft Notfallseelsorge Schweiz» (AG NFS CH) hat sich nämlich auf 1. Juli 2018 einen neuen Namen und neue Statuten gegeben. CNS ist der schweizerische Dachverband der mehrheitlich kantonal organisierten Care- und Notfallseelsorge-Teams.

Im Jahresbericht der Notfallseelsorge Schweiz steht viel über die Aus- und Weiterbildung. Was erwarten Sie von jemanden, der sich im Team integrieren möchte — fachlich, vielmehr aber noch menschlich?
Tatsächlich ist uns die Aus- und Weiterbildung wichtig. Es gibt gewisse Standards für diesen Dienst, die in Kursen gelernt und eingeübt werden. Im fachlichen Bereich lernt man, wie man mit Menschen, die ein überraschendes Unglück direkt, als Mitbetroffene oder aber als Angehörige erfahren haben, umgeht und sie in den ersten Stunden begleitet. Man erhält psychologische Grundkenntnisse und wird in die Zusammenarbeit mit den Blaulicht-Organisationen eingeführt. Menschlich braucht es sicher eine gewisse Lebenserfahrung. Und es braucht die Fähigkeit, Menschen zugewandt zu begleiten, zuhören zu können, sich (auch selbst) mit Notsituationen auseinanderzusetzen und sie auszuhalten.

Wir haben zwei Dienstgruppen in Care Teams: Menschen, die bereits eine psychologische und/oder theologisch-seelsorgliche Grundausbildung haben (Pfarrpersonen, Psychologen, Mediziner/Psychiater) und dann die zweite Gruppe (Pears, Givers), die von anderen Berufen herkommen und sich für diesen Dienst zur Verfügung stellen. In den Kantonen sind die Regelungen unterschiedlich und über die Einzelheiten kann man sich bei den jeweiligen kantonalen Organisationen erkunden.

Als Notfallseelsorger erhält man Einblick in viele schlimme Schicksale. Wie gingen Sie in all den Jahren an der Front persönlich mit Momenten der Ohnmacht um?
Das stimmt, und man weiss vorab auch nie mit Sicherheit, was einen genau erwartet und wie man darauf reagieren wird. Ich habe jeweils nach Eingang der Meldung vor oder beim Ausrücken an den Ort gebetet: für die Situation, die Menschen, auch für mich und meinen Einsatz. Das schliesst Ohnmachtserfahrungen keineswegs aus; angesichts der oft grossen Not habe ich keine – jedenfalls keine schnellen – Antworten. Unser Beitrag ist bescheiden und auf die erste Begleitung in der Bewältigung des Geschehens ausgerichtet. Ein Mensch, der für mich jetzt da ist – das allein ist schon eine Botschaft. Das ist meine Weise; andere stellen keine christlichen, sondern allein zwischenmenschliche Motivationen in den Vordergrund.

Gerade das Thema Suizid begegnet Ihnen sicher immer wieder. Welche Gedanken löst ein Selbstmord in Ihnen aus?
Ja, Selbsttötung (Suizid) gehört zu den Ereignissen, für die Mitglieder aus Care- bzw. Notfallseelsorge-Teams aufgeboten werden. Als Pfarrer hat man aber auch darüber hinaus mit solchen Todesfällen zu tun. In solchen Momenten bin ich weniger am Nachdenken über den Suizid selber, sondern im Begleiten der Angehörigen. Da kommt es meist zu notvollen Fragen und (Selbst-)Vorwürfen.

Wie finden Sie den Ausgleich zu Ihrer Tätigkeit?
In der Regel schreiben wir einen Bericht; meist habe ich ihn gleich nach dem Nach-Hause-Kommen geschrieben. So bin ich nochmals Wesentliches durchgegangen und habe es abgeschlossen. Etwas Sport oder Austausch, Geselligkeit kann auch helfen. Es gibt Notvolles im Leben, aber – Gott sei Dank! – auch Schönes, Freudiges.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Care Teams?
Bei allen Ähnlichkeiten hat jedes Care Team auch einen gewissen eigenen Charakter. Die Teams sind inzwischen gut eingeführt, akzeptiert und leisten im Verbund mit den Rettungsteams einen wichtigen Dienst. Für uns als CNS ist mir wichtig, dass die neu eingeführte Portalfunktion unserer Homepage sich als hilfreich erweist, vernetzt, informiert. Darüber hinaus möchte ich mithelfen, der Notfallseelsorge, die vom Namen her christlich/kirchlich bestimmt ist, ihren Platz zu erhalten und ihren Beitrag im Miteinander der Care Organisationen besser zu bestimmen. Auch wenn bei Begleitungen von Menschen in Krisen Achtsamkeit auch in religiösen Fragen angezeigt ist (solche Fragen können durchaus aufbrechen, da es nicht selten um die Sinnfrage geht), halte ich die geläufige Redeweise von der «religiösen/weltanschaulichen Neutralität» nicht für angemessen. Es hat ja jeder Mensch eine Überzeugung und «neutral» ist man nie; von daher wirkt der Begriff etwas verschleiernd und dient teils zwanghaft der propagierten «politischen und gesellschaftlichen Korrektheit». Persönlich hoffe ich, dass die Kirchen und damit Pfarrpersonen und Christenmenschen weiter ihren Platz in Notfallseelsorge und Care Teams in unserem Land haben werden.

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Datum: 26.08.2018
Autor: David Ruprecht / Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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