Neurowissenschaftlerin Maria Brasser

«Das Gehirn ist das spannendste Organ»

Die Neurowissenschaftlerin erklärt im Talk wie der Glauben im Gehirn wirkt
Wenn eine Psychologin und Lehrerin erzählt, wie das Gehirn von Jugendlichen oder alten Menschen funktioniert und wie wir alle mental gesunder werden können, lohnt es, zuzuhören.

Beim aktuellen Livenet Talk ist Maria Brasser zu Gast bei Chefredaktor Florian Wüthrich. Voller Begeisterung erzählt sie von dem, was sie beruflich seit vielen Jahren beschäftigt: die Neurowissenschaft. Dieses Thema hört sich erst einmal sehr kompliziert an – und ist es auch! –, aber es hat Auswirkungen auf das gesamte Leben. Maria Brasser ist Mitgründerin der Hirncoach AG, die forscht, Hirnfitnesskurse für verschiedene Altersgruppen anbietet, Schüler und Führungskräfte schult und vieles mehr. Gerade war sie als Expertin in einer Serie des SRF über Mental Health bei Jugendlichen und bearbeitete dort praktische Fragen wie den Umgang mit dem Handy oder Wege aus der Einsamkeit anhand ihrer Expertise.

Ihren eigenen Weg in die Neurowissenschaft beschreibt sie im Gespräch als persönliche Berufung Gottes. Am Anfang stand für sie die Frage, ob sie Medizin oder Psychologie studieren sollte. Sie hatte nämlich den Wunsch, mit ihren Gaben zu helfen. «Den Wunsch, Menschen etwas mit auf den Weg zu geben, das ihnen helfen kann, oder auch Hilfe zur Selbsthilfe. Und dann fand ich, dass ich Psychologie studieren muss.» Sie war zuerst ernüchtert vom hohen Anteil an Statistik und Theorie im Studium, doch im Master spezialisierte sie sich auf Neurowissenschaften – das lag ihr. Mit einem Lehrdiplom kann sie dies auch unterrichten. Als sie nach acht Jahren fertig war, kam sie mit Gott darüber ins Gespräch, ob es dran wäre, noch zu promovieren, und im Rückblick sagt sie: «Ich hatte das Gefühl, es kam so himmlisch zurück, doch, ich kann das machen, ich bekomme den Support.» Seit damals beschäftigt sie sich mit dem Gehirn, das für sie immer noch «das spannendste Organ, das man sich vorstellen kann», ist.

Mental Health

Gerade die Arbeit mit Jugendlichen ist Maria Brasser sehr wichtig. Sie unterstreicht, dass sich über 60 Prozent von ihnen zu viel Druck machen. Dieser entsteht durch Schule, Erwartungen der Gesellschaft, die Eltern, Freunde oder Peers und er bündelt sich im eigenen Druck, der Selbstoptimierung, dem Dazugehören-Wollen. In der SRF-Serie öffneten sich die Jugendlichen stark und erzählten, wie es ihnen ging. Wie sie mit sozialen und digitalen Medien umgingen, mit Einsamkeitsgefühlen und Stress. Hier suchte sie das Gespräch als Hirncoach, um mit den jungen Menschen an ihrer mentalen Gesundheit zu arbeiten. Sie trainierte mit ihnen, was man machen kann, wenn man gestresst ist. Gemeinsam arbeiteten sie an Affirmationen, Visualisierungen, dem Rausgehen in die Natur oder einfach dem Achten auf ausreichend Schlaf.

Neuroplastizität

Eine der Hoffnungsbotschaften von Maria Brasser steckt hinter dem Fachwort der Neuroplastizität. Für unser Wissen, Verhalten oder das Gehirn allgemein gilt zwar der Grundsatz «use it or lose it», also: gebrauch es, sonst verlierst du es. Aber das Gute ist, dass dieser Prozess umkehrbar ist: Das Hirn passt sich an das an, was wir denken, fühlen und wie wir handeln. Das gilt für Jugendliche mit ihren Gewohnheiten bis hin zu Senioren mit Demenzerkrankung. Bewegung und Musik oder das Lernen einer Sprache regen besonders an – und am wichtigsten ist sozialer Kontakt. Er ist für Maria Brasser wie für alle Neurowissenschaftler der Schlüssel für ein glückliches Leben.

Glaube als Chance

Vieles entwickelt sich in unserer Gesellschaft in eine problematische Richtung. Maria Brasser erklärt, dass die Nutzung von ChatGPT und künstlicher Intelligenz zu einem weiteren «Cognitive Offloading» führt, einem Auslagern der Denkprozesse, die unser Gehirn eigentlich lieber selbst erledigen würde. Dafür ist es gedacht und gemacht. Sie unterstreicht, dass scheinbare Tugenden wie das Multitasking in Wirklichkeit gar nicht funktionieren: «Es ist einfach ein schnelleres Switchen zwischen den verschiedenen Aufgaben und wenn man es sich bildlich vorstellt, so wie ein PC, der ganz viele verschiedene Fenster offen hat, und deshalb langsamer funktioniert.»

Glaube bietet gewaltige Ressourcen für das Denken an. Rituale schaffen Struktur. Beten, zum Beispiel, ist da sehr hilfreich. Maria Brasser meint: «Ich habe mir das auch ein bisschen angewöhnt, auch beim Laufen hierher, der Himmel ist offen über mir und ich schaue nach oben und nicht nur nach unten.» Dieser Perspektivwechsel gönnt dem Hirn eine Pause und schafft neue Möglichkeiten. Nach dem «Locus of Control» soll man sich auf die Dinge im Leben konzentrieren, die man selbst beeinflussen kann. Bei Depressionen ist dieses Prinzip immens wichtig, aber auch ansonsten sei es hilfreich. Und Gebet ist ein Schlüssel, die anderen Bereiche abzugeben, weil man eben nicht alles in der Hand hat und selbst gestalten kann, also eine riesige Ressource.

Im Verlauf des Gesprächs geht sie auch noch stärker darauf ein, wie diese transzendente Ebene funktioniert, wie das Miteinander mit Jesus den Jüngern half, Bindung zu leben und zu erleben, und warum in der Bibel nur vom Herzen die Rede ist und nicht vom Hirn.

Zum Talk:

Zum Thema:
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Datum: 09.12.2025
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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