Immer wenn ich ein gegebenes Versprechen andern gegenüber nicht einhalte, fühle ich mich irgendwie schuldig. Manchmal ist es mir auch peinlich und ich schäme mich. Ich gehe dann diesen Personen lieber aus dem Weg oder rede einfach nicht darüber – bis es unausweichlich ist, um die Beziehung nicht zu gefährden. Stehe ich zu meinem Versagen, zu meiner Schuld, gestehe ich sie der betroffenen Person ein, fühle ich mich erleichtert. Ich bin befreit von den unguten Gefühlen und negativen Gedanken, mit denen ich mich selbst klein mache und belaste. Nimmt die Person meine Bitte um Vergebung an, gewinne ich meine Lebendigkeit und Kraft zurück. Und unsere Beziehung gewinnt an Glaubwürdigkeit, Festigkeit und Vertrauen. Vergebung ist immer eine Frage der Beziehung. Mit der Bitte um Vergebung setze ich mich der Entscheidung der andern Person aus. Sie kann meine Bitte ablehnen und mich verurteilen oder sie annehmen und mir vergeben. „Wer von euch noch nie eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein auf sie werfen,“ sagte Jesus zu den Anklägern der Frau, die Ehebruch begangen hatte. Als einer nach dem andern weggegangen war, sagte Jesus zur Frau: „Ich verurteile dich auch nicht. Du kannst gehen. Aber tu diese Sünde nicht mehr.“ (Joh 8,1-11) Wir brauchen also keine Angst zu haben, dass Gott unsere wahrhaftige Bitte um Vergebung ablehnt. „Wer ist ein Gott wie du, der du Freude daran findest, barmherzig zu sein.“ (Micha 7,18-20)
Ich kenne Menschen, die es nicht schaffen, ihre Fehler, ihre Schuld einzugestehen. Sie sind eher bereit, ihre Beziehungen aufs Spiel zu setzen. Nur nicht das Gesicht verlieren, ist ihr Lebensmotto. Uneingestandene Schuldgefühle aber belasten. Sie halten uns unlebendig und kosten Kraft. Sie machen uns zudem innerlich klein und unsicher. Und sie zerstören Beziehungen.
Vergebung setzt schonungslose Konfrontation mit den Tatsachen voraus und das Eingestehen der Schuld. Sie ist aber auch etwas, das wir selbst nicht machen können. Wir können sie uns nur schenken lassen, von den Betroffenen, von Gott.
Datum: 01.09.2004
Autor: Roman Angst
Quelle: Bahnhofkirche Zürich