7 Gründe, es zu verbieten

Warum das «Unser Vater» so gefährlich ist

Die Kirche von England hat ein 60-Sekunden-Video produziert, in dem verschiedene Menschen in ganz verschiedenen Situationen das «Unser Vater» beten. Dieser Clip durfte in Kinos in England nicht gezeigt werden, wie es eigentlich geplant gewesen war – vielleicht mit gutem Grund.
Bischof Steven Croft von der Diözese Sheffield

Bischof Steven Croft von der Diözese Sheffield macht sich seine eigenen Gedanken zu diesem Vorfall. Wir bringen einen Auszug aus seinem Blog:

Dieses Verbot hat viel Wirbel ausgelöst: Zorn des Erzbischofs, Diskussionen über Pressefreiheit, die Möglichkeit von Gerichtsverhandlungen und ein Sturm in den sozialen Medien. Aber halt: was wäre, wenn die Kinos in diesem Fall recht hätten?

«Das Vaterunser ist mit gutem Grund kraftvoll»

Ich bin nicht einverstanden mit ihrer Entscheidung und mit den Gründen, die sie dafür angegeben haben. Ich hoffe, dass sie noch einmal darüber nachdenken. Ich glaube nicht, dass der Film Zuhörer beleidigen oder aufregen wird, so wie sie behaupten, und es wird auch sicher kein Präzedenzfall werden.

Aber vom Gesichtspunkt der globalen Unterhaltungsindustrie her, aus der Perspektive der Götter und Geister unserer Zeit gibt es sehr gute Gründe, das Vaterunser aus Kinos und von der Kultur und vom öffentlichen Leben fernzuhalten.

Dieses Gebet wird von Milliarden von Menschen jeden Tag in jeder Sprache der Welt gebetet. Zu jedem Zeitpunkt betet irgendwo auf der Erde jemand dieses Gebet. Es sind die ersten Gebetsworte, die wir als Kinder lernen und die letzten, die wir kurz vor unserem Tod sprechen. Das Vaterunser ist mit gutem Grund kraftvoll. Diese Worte prägen Leben und Familien und Gemeinschaften und ganze Gesellschaften.

7 Gründe, es zu verbieten

Es gibt gute Gründe, warum das Vaterunser von den Halbgöttern der Konsumkultur und in den Sitzungszimmern der Kinoketten verboten wurde. Hier sind sieben Gründe, einer für jede Bitte.

  • Erstens: Dieses Gebet gibt uns eine Identität und einen Platz in der Welt und schafft eine Gemeinschaft der Gegenkultur.

    «Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name»

    Das Gebet widerspricht dem Mythos, dass wir zufällige Materieteilchen sind, die durch Raum und Zeit schweben. Es widerspricht dem Mythos, dass unser Leben keine Bedeutung hat. Und es widerspricht dem Mythos, dass die Menschheit zerteilt ist.

    Wir wurden geschaffen, wir sind geliebt und berufen zur Freundschaft mit Gott, der unser Vater ist, und zur Gemeinschaft mit unseren Mitmenschen, die darum auch unsere Brüder und Schwestern sind. Nur jemand, der diese neue Identität gefunden hat, kann aufstehen gegen die Werbekultur, die uns Tag und Nacht dazu verleiten will, dass wir uns durch das definieren, was wir ausgeben.
  • Zweitens gibt dieses Gebet den Mut, in einer unvollkommenen Welt zu leben.

    «Dein Reich komme. Dein Wille soll auf der Erde getan werden, wie er im Himmel geschieht»
    Die Welt ist nicht so, wie sie sein sollte. Ihr eigentliches Ziel und ihr Zweck ist verzerrt. Aber Gott ist dabei, diese Welt zu erlösen und zu transformieren und sein Reich einzurichten. Das Vaterunser lädt uns ein, uns nicht in Angst und Schmerz von der Welt zurückzuziehen, uns nicht zu betäuben oder einfach zu verwöhnen. Das Vaterunser ermutigt uns, mitzukämpfen, dass Gerechtigkeit und Frieden zum Zuge kommen.
  • Drittens – und vielleicht am wichtigsten: das Vaterunser lehrt uns, mit «genug» auszukommen.

    Das ist vielleicht der gefährlichste Grund, warum man es im Kino eigentlich nicht zeigen darf. Es lehrt uns, nicht immer mehr haben zu wollen. Es lehrt Zufriedenheit, die subversivste Tugend von allen.

    «Gib uns heute unser tägliches Brot»

    Das ist nicht ein Gebet um «noch mehr». Es ist ein Gebet um das, was wir nötig haben. Jede andere Anzeige im Kino will uns verleiten, noch mehr Geld auszugeben, um glücklich zu werden. Das hier begrenzt unsere Gier.
  • Viertens: das Vaterunser lehrt mich, mit Unvollkommenheit zu leben – mit meiner eigenen und der von anderen. Es gibt einen Weg, wie wir mit dem Dreck in unserem Leben umgehen können.

    «Vergib uns unsere Sünden»
    Die Konsumkultur stellt uns ein Bild der Vollkommenheit vor Augen. Wir können nicht glücklich sein, wenn wir nicht aussehen wie diese Person oder so leben wie sie. Jedes Bild ist eine Lüge.

    Das Vaterunser anerkennt menschliche Unvollkommenheit und Schuld, jeden Tag. Das Vaterunser öffnet einen Weg zur Vergebung, jeden Tag. Dieser Weg zur Vergebung kann nicht gekauft werden. Er ist ein Geschenk. Gnade. Gnade unterwandert die ganze Kultur der Werbung.
  • Fünftens: Das Vaterunser bietet einen Weg der Versöhnung an.

    «Vergib uns unsere Schuld, wie wir denen vergeben, die an uns schuldig werden»

    Wir sollen nicht in Fehde, Feindschaft oder Rivalitäten leben. Wir sollen vergeben und Vergebung erleben, wir sollen miteinander versöhnt sein. Diese Versöhnung geschieht ohne teure Geschenke, ohne Verschuldung, ohne Kredit. Menschen werden nicht glücklich, indem sie mehr Dinge besitzen. Das ist eine andere Konsumentenlüge. Das grösste Glück kommt aus Beziehungen. Und der Schlüssel zu guten Beziehungen ist Versöhnung und Vergebung.

  • Sechstens: Das Vaterunser baut in den menschlichen Geist Widerstandskraft ein. Wenn du dieses Gebet jeden Tag betest, bist du auf schlechte Zeiten vorbereitet.

    «Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Bösen»
    Wenn wir dieses Gebet beten, erinnern wir uns daran, dass wir nicht in einem Disneyland oder einem Märchen leben. Das Leben ist keine zuckersüsse Schöpfung von Filmemachern, wo jede Geschichte ein Happy End hat.

    Wir leben in einer realen Welt von Krebs und Gewalt und Schwierigkeiten, wir werden geprüft, und schlimme Dinge geschehen ohne klare Ursache. In dieser Welt leben wir, wir vertrauen auf die Liebe und Güte Gottes und seine Hilfe mitten in den schwierigsten Momenten unseres Lebens. Der Glaube ist für die tiefen Täler genauso gut wie für die grüne Weide. Wir haben nicht alle Antworten, aber wir wissen, dass Gott bei uns und in uns wohnt.
  • Siebtens: Das Vaterunser sagt uns, wie die Geschichte endet - und wie wir dieses Leben nicht nur leben, sondern gut leben können.

    «Denn dein ist das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit, jetzt und in Ewigkeit. Amen.»
    Das Gebet schliesst, wie es angefangen hat: mit dem Lob der Herrlichkeit des lebendigen Gottes. Unsere Herzen kommen zu ihrem Ursprung und zu ihrer Quelle zurück, zu dem, der uns geschaffen hat. Wir sollen unser Leben zur Ehre und zur Herrlichkeit Gottes leben, nicht dazu, unsere kleinen Wünsche zu befriedigen. Wir sind Wesen mit einer höheren Berufung und einem grösseren Ziel.

Das Vaterunser hat nur 72 Worte. Es dauert weniger als eine Minute, sie zu sprechen. Aber diese Worte formen unsere Identität, geben unserem Leben Sinn, bekämpfen unsere Gier, helfen uns mit unseren Unvollkommenheiten, eröffnen einen Weg zur Versöhnung, machen unseren Geist widerstandsfähig und rufen uns auf, zur Ehre unseres Schöpfers zu leben.

Kein Wunder, dass diese Worte in den Vorstandsetagen der Konsumkultur als zu gefährlich für das Publikum angesehen wurden.

Video zum Vaterunser:

Zum Thema:
In britischen Kinos: Vaterunser als «anstössig» zensiert
Grundwerte brechen weg: Was die Schweiz wirklich braucht
Das verkürzte Gebet: Wenn das Amen zu früh kommt

Datum: 02.12.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch / The Washington Post

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung