Familie Darwish auf dem Schleudersitz
Daniel Zingg, der die Familie in der Schweiz betreut, ärgert sich: «Integrationswillige werden abgeschoben, die Kriminellen werden behalten – Gerade angesichts der aktuellen politischen Diskussion um kriminelle Asylsuchende ist das Abschieben von Familie Darwish völlig unverständlich.»
Diese Zeilen schrieb Zingg vor wenigen Stunden an Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die das Asylwesen verantwortet. Nicht zum ersten Mal setzt sich Zingg für Menschen ein, die abgeschoben werden sollen und dadurch in Lebensgefahr geraten wären. Dies sei auch bei der kurdischen Familie Darwish gegeben, die in der Schweiz den christlichen Glauben angenommen hat. Wegen seiner politischen Tätigkeit war der Vater mehrfach vom Assad-Regime eingekerkert worden.
Die achtköpfige Familie sei integrationswillig, «ehrliche Arbeit und ein menschenwürdiges Dasein wären für Darwishs das Beglückendste», schrieb Zingg nach Bern.
Der Haken
Die Familie strandete zuerst in Tschechien, dorthin soll sie nun zurück geschafft werden. So sieht es das Dublin-Abkommen vor. Und der Bund auch, wie er Zingg kürzlich mitteilte. Dort allerdings will man die Familie nicht haben, sie war mehrere Monate eingepfercht in gefängnisartigen Zellen, die Kinder seien durch diese Erfahrung traumatisiert.
Kommt dazu: «Entgegen der geltenden Abkommen lehnt Tschechien die Aufnahme ab.» Gefängnisähnliche, krankmachende Zustände für eine Familie mit kleinen Kindern, hin und hergeschoben ohne ein Verbrechen begangen zu haben – Daniel Zingg spricht von Unwürdigkeit.
Warum nicht nach Tschechien?
«Eine Rückschaffung der Familie in die Tschechei würde mit grösster Wahrscheinlichkeit eine Ausweisung nach Syrien und damit den sicheren Tod bedeuten», so Zingg, der die Familie in der Schweiz betreut. «Die Schweizer Behörden müssen sich zuerst einmal bewusst werden, was die Ausschaffung einer christlichen Familie in ein islamisches Land bedeutet.» Doch das Bundesamt für Migration (BFM) zeigte bisher wenig Gehör für den Ruf aus Bollodingen (BE).
Dublin hat nicht das letzte Wort
Geltend machen die Offiziellen das Dublin-Abkommen, doch der Bund hätte problemlos Spielraum. Das Zauberwort heisst «Selbsteintritt». Einen solchen sieht das Asylgesetz in schwierigen Lagen vor. Daniel Zingg: «Genau das ist hier gegeben. Ich setzte mich für diese Menschen ein, weil es nötig ist. Sie sind nicht hier, weil es Tschechien geregnet hat und ihnen das nicht gefällt. Sie haben dort Schreckliches erlebt. Die Schweiz könnte sie ohne weiteres hier behalten.»
Es verstosse gegen das Gebot der Mitmenschlichkeit, eine achtköpfige Familie ins Verderben zu schicken. «Da ist eine junge Familie in existenzieller Not und muss die Schweiz verlassen. Menschen ohne kriminelle Vorgeschichte, Menschen ohne Heimat. Der humanitäre Auftrag der Schweiz sähe es doch vor, genau solchen Menschen zu helfen! Sollte nicht die Ausschaffung bei Kriminellen angewendet werden?»
Unsicherheit
Momentan sei die Familie Darwish in einer Asylantenunterkunft im Kanton Zürich. Die Unsicherheit nage. «Jeden Moment könnte die Polizei wieder auftauchen und die ganze Familie ins Flugzeug nach Prag setzen. Hätte sie aber eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz, könnte Vater Saleh, 35 Jahre alt, Arbeit suchen, um seine grosse Familie durchzubringen. Mehr wollen sie gar nicht!»
Mehrfach setzte sich Daniel Zingg für Flüchtlinge ein, unter anderem für die christliche, syrisch-kurdische Familie Hassu. Sie stand ebenfalls kurz vor der Ausschaffung, im letzten Moment wurde davon abgesehen – wie sich herausstellte, wäre sie in den sicheren Tod geflogen worden. Inzwischen ist die Familie integriert, Vater Faruq arbeitet, Frau und Kind blühen nach dem psychischen Druck auf.
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Artikel bei Position-Online
Datum: 21.08.2012
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet / Position