Faktencheck Christentum

Ein Schlüssel zum Verständnis der Opfer im Alten Testament

Ein Opferaltar
Viele Bibelausleger haben versucht, die vielen Details zu den Tieropfern zu erklären – meist ist das sehr unübersichtlich. Kurt Beutler hat einen Schlüssel zur Interpretation gefunden, der das Ganze leicht verständlich macht.

Eines der grossen Rätsel in der Bibel sind die Beschreibungen der Tieropfer im Gesetz des Mose. Generationen von Auslegern haben versucht, alle ellenlangen Details, die darin vorkommen, zu erklären. Doch das wird dann derart unübersichtlich, dass man am Ende gar nicht mehr versteht, was nun zu was gehört. Mir jedenfalls ist es jedes Mal so gegangen, wenn ich die ersten Kapitel des dritten Mosebuches las und zu verstehen versuchte.

Eines Tages habe ich einen ganz einfachen Schlüssel gefunden und er ist genial. Doch langsam: Gehen wir Schritt für Schritt dem Ziel entgegen. Zum ersten stellen wir fest, dass es insgesamt fünf Opferarten sind, wobei vier davon blutige Tieropfer sind. Das zweite Opfer dagegen besteht aus Brot bzw. Kuchen oder auch ganz simplem Mehl.

Fünf Opferarten

Beginnen wir also mit dem ersten Opfer. Es wird «Hingabeopfer» genannt. Da geht es nicht etwa darum, Sündenvergebung oder irgendetwas andres von Gott zu erlangen. Es geht einfach darum, Gott zu sagen, dass man ihn liebt und ihm etwas ganz Wertvolles geben will. Das Tier wird gänzlich verbrannt. Wenn man bedenkt, wie knapp Fleisch in der Wüste war, dann wird noch bewusster, wie gross dieses Opfer war. Es geht also dem Opfernden ganz darum, Gott eine Freude zu machen. Es geht um nichts als Gott.

Das zweite, unblutige Opfer überspringen wir vorläufig.

Beim dritten stellen wir in einem gewissen Sinn ein Gegenstück zum ersten fest. Es ist zwar auch ein freiwilliges, blutiges Tieropfer. Aber nur ein Teil wird Gott gegeben. Es wird grossenteils von Menschen gegessen. Hier gibt es ein regelrechtes fröhliches Festessen für die ganze Familie und die Priester. Offensichtlich geht es nicht nur um Gott, sondern auch um den Menschen. Um die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen, aber auch der Menschen untereinander. Es wird deshalb passend als «Friedensopfer» bezeichnet. 

Die zwei letzten Opfer sind überraschenderweise beide Sündopfer. Doch weshalb benötigt es zwei von derselben Sorte? Man könnte beispielsweise vermuten, dass es sich dabei um Opfer für beabsichtigte und unbeabsichtigte Fehler handelt. Oder auch um den Unterschied zwischen «Sünden» und «Sünde», weil der Mensch ja nicht nur einzelne Fehler macht, sondern auch eine innere Neigung zum Bösen hat. Eines Tages las ich die Texte nochmals durch und alle diese Erklärungen schienen nicht ganz zu befriedigen. Sogar die Unterscheidung zwischen Schuld- und Sühneopfer passte nicht, da diese Namen im Text nicht wirklich unterschiedlich angewendet werden. Doch dann fiel mir etwas Neues auf. Beim ersten Sündopfer werden durchwegs grosse, wertvolle Tiere als Opfer gefordert, beim zweiten können es auch Tauben oder sogar nur Mehl sein. Könnte es sein, dass das eine Opfer für die Reichen, das andere für die Armen gegeben ist?

Ein Kreuz

Erinnern wir uns nochmals an das Stichwort für das erste Opfer: Gott. Das zweite haben wir noch ausgelassen. Beim dritten geht es um die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch bzw. auch der Menschen untereinander. Bei den beiden letzten Opfern offenbar darum, dass sowohl Arme als auch Reiche von Gott Vergebung erlangen können. Es ist also hier sozusagen eine Brücke zwischen reich und arm, d.h. zwischen allen Menschen zu finden. 

Gott ist oben, der Mensch unten. Es ergibt sich also eine Senkrechte. Die Brücke zwischen Menschen dagegen ist horizontal. Damit formt sich ein Kreuz. Wer hätte das gedacht?

Das zweite Opfer

Doch was ist mit dem zweiten Opfer? Warum kommt ein unblutiges, im Vergleich fast ein wenig schäbiges Opfer dazwischen und wieso ausgerechnet zwischen «Gott» und «Mensch»?

Hier mag es helfen, sich an das zu erinnern, was Jesus in Johannes Kapitel 6, Vers 35 sagte: «Ich bin das Brot des Lebens.» Und in Vers 38: «Ich bin vom Himmel gekommen.» Das Brot deutet also auf den irdischen Jesus hin, der vom Himmel gekommen ist, oder einfacher gesagt: auf die Inkarnation.

Darum passt das Brotopfer auch perfekt zwischen das erste und das dritte Opfer, in denen es um Gott bzw. den Menschen geht, und es passt nur hier hin.

Vier Eigenschaften von Jesus

Viele Menschen zweifeln, dass das Opfer von Jesus am Kreuz Erlösung bewirken kann. Auch Mose wusste ganz klar noch gar nicht, was die verborgene Bedeutung seiner Stiftshütte letztlich sein würde. Interssanterweise gibt es bei ihm allerdings mehrere derartige Hinweise, die unmöglich Zufall sein können. So etwa die vier Farben an der Tür zum heiligen Zelt: Blau ist die Farbe des Himmels, weiss dagegen ist der vollkommene Mensch. Auch hier lässt sich im Rückblick die Inkarnation rasch ablesen. Danach noch zwei Arten von rot: das Purpur der Könige und das blutrot der geschundenen Sklaven. Also auch wieder die Brücke, die alle Menschen einschliesst und auf dieselbe Ebene bringt. 

Damit wird bereits tausende von Jahren, bevor das Neue Testament geschrieben wurden, auf die vier Eigenschaften des Heilandes hingewiesen, auf welche sich die vier Evangelien konzentrieren: Matthäus auf den König (purpur), Markus auf den Diener (blutrot). Lukas auf den Menschen (weiss) und Johannes auf seine Göttlichkeit (blau). Diese könnte man auch in Tierform darstellen: Der König der Tiere ist der Löwe, für den Sklaven dagegen und zugleich das grösste aller Opfertiere steht der Stier. Der Adler verweist auf den blauen Himmel und damit die Göttlichkeit, und am Ende noch der Mensch. Genau diese vier Tiere sind es, die wir beim Propheten Hesekiel finden.

Das alles kann nichts anderes bedeuten, als dass jene Propheten wirklich übernatürliche Offenbarungen erhielten und dass die Botschaft vom Kreuz Gott wirklich wichtig ist!

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Datum: 20.06.2025
Autor: Kurt Beutler
Quelle: Faktencheck Christentum

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