Simon

Simon, der Zelot

Der nächste Name in Lukas 6,15 ist »Simon, genannt Eiferer«. In Matthäus 10,4 und Markus 3,18 wird er »Simon, der Kananäer« genannt. Der Namenszusatz bezieht sich hier nicht auf das Land Kanaan oder die Stadt Kana, sondern leitet sich vom hebräischen Wortstamm qanna ab und bedeutet »eifrig sein«.

Anscheinend gehörte Simon früher der politischen Partei der Zeloten an. Die Tatsache, dass er diesen Titel sein Leben lang trug, könnte auch darauf schließen lassen, dass er ein hitziges, eiferndes Temperament besaß. Doch zur Zeit Jesu bezeichnete dieser Ausdruck eine bekannte und weithin gefürchtete politische Sekte, der Simon anscheinend angehörte.

Der Historiker Josephus beschrieb vier wesentliche jüdische Gruppierungen zu jener Zeit. Die Pharisäer nahmen es mit dem Gesetz ganz genau; sie waren die religiösen Fundamentalisten ihrer Zeit. Die Sadduzäer waren religiöse Liberale; sie leugneten alles Übernatürliche. Zudem waren sie reich, adlig und mächtig. Ihnen oblag die Verantwortung für den Tempel. Die Essener werden in der Schrift überhaupt nicht erwähnt, aber sowohl Josephus als auch Philon von Alexandria beschreiben sie als asketisch und zölibatär. Sie lebten in der Wüste und widmeten ihr Leben dem Studium des Gesetzes. Die vierte Gruppe, die Zeloten, hatten in erster Linie eine politische Ausrichtung – mehr als jede andere Gruppierung außer den Herodianern. Die Zeloten hassten die Römer, und ihr Ziel war der Sturz der römischen Besatzungsmacht. Die Umsetzung ihrer Pläne geschah vor allem durch Terrorismus und hinterhältige Gewalttaten.

Sie waren in jeder Hinsicht Extremisten. Wie die Pharisäer legten sie das Gesetz wörtlich aus. Aber anders als sie (die Pharisäer waren aus politischen Gründen zu Kompromissen bereit) waren die Zeloten aufgrund ihrer Gewalttätigkeit und ihrer militanten Einstellung geächtet. Sie glaubten, dass nur Gott das Recht habe, über die Juden zu herrschen. Und daher meinten sie, sie würden das Werk Gottes tun, wenn sie römische Soldaten, politische Führer und auch jeden anderen, der ihnen entgegenstand, einfach ermordeten.

Die Zeloten hofften auf einen Messias, der sie beim Sturz der Römer anführen und das Reich Israel in seiner salomonischen Herrlichkeit wiederherstellen würde. Sie waren glühend heiße Patrioten, bereit, auf der Stelle für ihre Überzeugungen zu sterben. Josephus schreibt über sie:

Urheber der vierten Sekte der jüdischen Philosophie war Judas der Galiläer. Diese Männer stimmen in allen anderen Dingen mit den pharisäischen Vorstellungen überein, doch besitzen sie einen unantastbaren Freiheitsdrang und sagen, dass Gott ihr einziger Herrscher und Herr ist. Sie scheuen weder den eigenen Tod – durch welche Todesart auch immer – noch den von Verwandten und Freunden. Aus diesem Grund gibt es auch nichts, was sie dazu bringen könnte, einen Menschen Herr zu nennen. Und da ihre feste Entschlossenheit vielen bekannt ist, werde ich nicht weiter darüber sprechen. Ich fürchte auch nicht, dass irgendetwas, was ich über sie gesagt habe, nicht geglaubt werden könnte, sondern vielmehr, dass ihre Entschlossenheit sogar noch darüber hinausgeht, wenn ihnen Schmerzen zugefügt werden. Unser Prokurator, Gessius Florus, missbrauchte seine Autorität, so dass die Verstimmung des Volkes noch zunahm, so dass es sich gegen die Römer auflehnte. 1

Der Aufstand unter »Gessius Florus«, den Josephus hier beschreibt, ereignete sich 6 n. Chr., als eine Gruppe von Zeloten einen gewaltsamen Aufstand gegen eine römische Volkszählungssteuer anführte. Der Zelotenführer und -gründer, den Josephus ebenfalls erwähnt, war Judas der Galiläer, der in Apostelgeschichte 5,37 genannt wird.

Die Zeloten waren davon überzeugt, dass Tributzahlungen an einen heidnischen König dem Verrat an Gott gleichkamen. Diese Auffassung stieß vor allem bei jenen Menschen auf breite Akzeptanz, die durch die römische Besteuerung bereits überbelastet waren. Judas der Galiläer ergriff die Gelegenheit, organisierte Streitkräfte und initiierte Mord, Plünderung und Zerstörung. Von ihren Hauptquartieren in Galiläa aus führten Judas und seine Anhänger einen Guerillakrieg gegen die Römer. Schon bald schlugen die Römer den Aufstand gewaltsam nieder, töteten Judas den Galiläer und kreuzigten seinen Sohn. Die Partei der Zeloten ging daraufhin in den Untergrund. Ihre Terroranschläge wurden gezielter und geheimer. Wie schon im zweiten Kapitel beschrieben wurde, bildeten sie eine Gruppe von geheimen Attentätern namens Sikarier (»Dolchmänner«), die ihre Bezeichnung aufgrund ihrer tödlichen, gebogenen Klingen bekamen, welche sie in den Falten ihrer Gewänder versteckten. Sie schlichen sich von hinten an römische Soldaten und Politiker heran und stachen ihnen in den Rücken, mitten durch die Rippen ins Herz.

Mit Vorliebe brannten sie römische Objekte in Judäa nieder und zogen sich dann in abgelegene Gebiete Galiläas zurück. Wie Josephus in diesem Zitat beschreibt, war ihre Bereitschaft bekannt, jede Todesart und jegliche Schmerzen in Kauf zu nehmen – einschließlich der Folter ihrer eigenen Verwandten. Die Römer mochten sie foltern und töten, aber ihre Leidenschaft konnten sie nicht auslöschen.

Viele Historiker glauben, dass der schreckliche Massenmord, den die Römer 70 n. Chr. bei der Plünderung Jerusalems unter Titus Vespasian begangen, durch die Zeloten noch beschleunigt wurde. Als die Römer die Stadt belagerten und die Vorratswege abschnitten, begannen die Zeloten, jüdische Mitbürger zu töten, die mit Rom über das Ende der Belagerung verhandeln wollten. Sie hielten jeden, der sein eigenes Leben retten wollte, von der Kapitulation ab. Als Titus die hoffnungslose Situation sah, zerstörte er die Stadt, massakrierte Tausende ihrer Einwohner und raubte die Tempelschätze. So führte der blinde Hass der Zeloten auf Rom und alles Römische zur Zerstörung ihrer eigenen Stadt. Ihre Bewegung war von einem wahnsinnigen und letzten Endes selbstzerstörerischen Fanatismus geprägt. Josephus schreibt, dass der Name Zeloten eine unzutreffende Bezeichnung sei, »so als wären sie eifrig in guten Taten gewesen und nicht in schlechten – stattdessen übertrafen sie in ihren schlechten Taten alle anderen.«

Datum: 02.07.2007
Autor: John MacArthur
Quelle: 12 ganz normale Männer

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